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Gegen kalorienreiche Werbung

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Karolina Grabowska

November 2022: Das deutsche Ärzteblatt titelt in der Rubrik Vermischtes: „Zahl der adipösen Kinder steigt“. Dabei bezieht man sich auf Zahlen der Kaufmännischen Krankenkasse: 34 % mehr junge Menschen in der Altersgruppe von sechs bis achtzehn waren 2021 von schwerem Übergewicht betroffen, bei den 15- bis 18-Jährigen konnte gar eine Steigerung von knapp 43 Prozent verzeichnet werden. Die Publikation erklärte die Veränderungen als Folgeeffekte der Lockdowns: Schule zuhause, wenig Bewegung und fehlende soziale Kontakte, das alles habe die Inaktivität der Kinder und Jugendlichen verursacht. Ersatzhandlungen, wie Spiele am Computer mit allerlei Süßwaren, Chips und Softdrinks hätten zu den nun vorliegenden deutlich gestiegen Zahlen der von Adipositas Betroffenen beigetragen.

Gestern berichtete tagesschau.de, dass Bundeslandwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir Werbung für nicht gesunde Lebensmittel verbieten möchte, zumindest zwischen 6 und 23 Uhr. Denn dann versammeln sich an den Rundfunk- und Fernsehempfängern, gerne aber auch vor dem YouTube-bespielten Computerbildschirm die Menschen, um die es Özdemir geht: Kinder und Jugendliche. Allerdings nicht die gesamte Werbung für Süßes und Salziges, gerne auch Fettes, soll in diesem Zeitfenster nicht stattfinden dürfen, wohl aber jene Spots, die explizit auf ein junges Publikum zielen. Auch in Zeitschriften und Zeitungen darf keine diese Gruppe ansprechende Reklame mehr zu finden sein, gleiches gilt für Außenwerbung in der Nähe von zum Beispiel Kindergärten oder Schulen.

Der Minister erntete – das meldete u.a. auch heute.de – für seine Initiative Zustimmung: Sowohl von der Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin als auch von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Schließlich sei Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ein weit verbreitetes und gravierendes Gesundheitsproblem. Ebenso kommt Lob von der Diabetes-Gesellschaft, hier sieht man den Entwurf als einen „Meilenstein“ für die Gesundheit der Kinder.

Politischen Gegenwind gibt es aus der eigenen Koalition und von der Opposition. Die Liberalen weisen Verbote zurück, dass diese nichts brächten, sei doch bekannt. Zudem würde der Staat so unmündige Bürger heranziehen. Aus der CDU ist zu vernehmen, dass man die vorgeschlagenen Maßnahmen als unnötigen staatlichen Eingriff und Bevormundung einschätzt.

Reicht das geplante Reklameverbot aus? Werbung hat sicher eine ganz erhebliche Wirkung auf die Konsumgewohnheiten, sie entfaltet diese auf Kinder sehr direkt und die Mädchen und Jungen geben die Botschaften und die aus ihnen hervorgehenden Konsumwünsche an ihre Altersgenossen unkritisch weiter. Allerdings gibt es noch zusätzliche Faktoren, die das Verhalten der jüngeren Generation beeinflussen: Die eigene Familie ist das erste „Ernährungsumfeld“, dem ein Kind begegnet. Nicht umsonst achten viele Eltern ganz besonders auf einen gesunden und ausgewogenen Lebensmittelmix für ihre Nachkommen, denn was in den ersten Jahren hier angelegt und gelernt wurde, wird nicht so schnell vergessen und manifestiert sich als Vertrautes und Gewohntes. Gelingt es also die Priorisierung gesunden Essens als ein grundlegendes Verhalten bei zukünftigen Generationen nachhaltig zu etablieren, so werden es die dann immer noch durchdringenden Werbebotschaften vielleicht etwas schwerer haben.