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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Francesco Ungaro

Im Jahr 2016 veröffentlichte das Umweltbundesamt eine Broschüre mit dem Titel „Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen“. Im Resümee des Papiers kann man nachlesen, dass nach damaliger Erkenntnislage diese Geschwindigkeitsbegrenzung an solchen Trassen überwiegend positive Wirkungen hat.“ Mehr Verkehrssicherheit, die Verminderung von Lärm- und Schadstoffemissionen und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualitäten seien positive Folgen einer Geschwindigkeitsreduzierung, die Mobilität der Autofahrer werde dabei nicht übermäßig eingeschränkt.

Und 2023? Viele Städte und Gemeinden wünschen sich Tempo 30 in Innenstädten entlang der Hauptverkehrsstraßen. Darüber berichtete im Januar tagesschau.de. Um dies aber umzusetzen, müssen entsprechende Vorschriften geändert werden, sowohl das Straßenverkehrsgesetz als auch die Straßenverkehrsordnung bedürfen zahlreicher Anpassungen. Denn gerade entlang von Hauptverkehrsstraßen können die Kommunen nur unter besonderen Bedingungen einzelne Abschnitte als 30iger-Zone ausweisen. Das ist nicht ausreichend, denn auch dort wohnen und leben viele Menschen.

Insgesamt sind es 380 Städte und Kommunen, die gerne mehr Tempo 30-Zonen einrichten möchten. Große und kleine Orte, sie haben sich über parteipolitische Grenzen hinweg zur Initiative „Lebenswerte Städte“ zusammengefunden. Das Problem, auf das die Veränderungswilligen stoßen, ist die aktuelle Gesetzeslage, die noch aus den Gründungsjahren der Bundesrepublik stammt. Höchste Priorität in jenen Verordnungen hat eine Gewährleistung eines schnellen und ungehinderten Verkehrsflusses.

Das zuständige Bundesministerium reagierte auf die Forderungen aus den Kommunen sehr zurückhaltend: Zu diesem Thema gäbe es eine Arbeitsgruppe, hieß es aus Berlin und man verwies auf den Koalitionsvertrag. Hier habe man festgelegt, dass auch Aspekte wie Umweltschutz, Gesundheit und städtebauliche Konzepte als zu berücksichtigende Faktoren mit in notwendige Gesetzesnovellen einfließen sollen. Ein flächendeckendes Tempo 30, auch auf Durchgangsstraßen, werde es allerdings nicht geben.

Auf Merkur.de konnte man Anfang dieses Jahres nachlesen, was der ADAC Nordbayern davon hält. Während man Tempo 30 in Wohngebieten begrüßt, findet man eine allgemeine Begrenzung der Geschwindigkeit auf diesen Wert problematisch. Gäbe es dann keine „schnellen Hauptstraßen“ mehr und fiele der mit ihnen einhergehende Zeitvorteil weg, so würden Verkehrsteilnehmer kürzere Routen wählen, die dann auch durch Siedlungen führen könnten. Außerdem müsste man alle Programmierungen für die Ampeln anpassen. Besser sei es doch, Alternativen zum Auto attraktiver zu machen und den ÖPNV auszubauen.

Dass es funktionieren kann zeigt das Beispiel Helsinki. Das Ziel „Vision Zero“, d.h. keine Toten und Schwerverletzten in Folge des Straßenverkehrs, wurde dort bereits 2019 erreicht. Den Verkehrsfluss anders zu gestalten, damit hatten die Finnen schon in den 90 Jahren begonnen. Mit dem Bau von Schwellen und Kreisverkehren griff man bremsend ein. 1992 senkte die Stadt die Höchstgeschwindigkeit und seit 2018 gilt Tempo 30. Zudem sind die Wege von motorisierten Verkehrsteilnehmern und solchen ohne diese Unterstützung meist getrennt. Eine Ausnahme bilden große Hauptverkehrsstraßen, auf denen eine Fortbewegung mit 40 km/h erlaubt ist.

Es war ein langer Prozess, nicht ohne Widerstände und Probleme. Und es bedürfte der Kontrolle. Doch der Erfolg der Maßnahmen in Helsinki, er ist unumstritten. Es ist also möglich, Tempo 30 umzusetzen. Schön wäre es, wenn die deutschen Städte die Möglichkeit erhielten, dies einmal in größerem Umfang als bislang möglich auszuprobieren. Die Finnen, sie unterstützen sicherlich gerne beratend, auch unser Bundesverkehrsministerium.