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Menschen mit Migrationshintergrund

Photo by Armin Rimoldi: https://www.pexels.com/photo/crop-faceless-men-shaking-hands-in-studio-5304052/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Armin Rimoldi

Es war am 20. April dieses Jahres, da veröffentlichte das Statistische Bundesamt Daten zu Menschen, die in Deutschland leben und eine Migrationsgeschichte haben. Bevor wir genauer auf die aus dem letzten Mikrozensus entnommenen Daten blicken, sollten wir schauen, wie die untersuchte Gruppe von der Behörde definiert wird, Zitat: „Insgesamt umfasst die Bevölkerung mit Migrations­hintergrund alle Personen, die entweder selbst nicht mit deutscher Staatsan­gehörigkeit geboren sind oder bei denen mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsan­gehörigkeit geboren ist.“

Hauptergebnis der Untersuchung: 20,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, sie haben einen Migrationshintergrund, fast ein Viertel unserer Bevölkerung also. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Mehr von 1,2 Millionen. Auffallend, aber auch selbsterklärend ist die steigende Zahl der Migranten aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan.

Die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes sind vielfältig: Hauptursache bleiben weiterhin Flucht und Vertreibung, knapp 28 % der Befragten geben dieses Motiv an. Erwerbstätigkeit mit etwas mehr als 24 % und Familienzusammenführung mit annährend 24 % folgen. Ca. 8 % der Einwanderer möchten ihre Ausbildung oder ein Studium in Deutschland absolvieren.

Das Zuhause hinter sich lassen, in ein anderes Land gehen. Freiwillig, um zu lernen und zu wachsen, unfreiwillig um in Sicherheit zu sein, Gründe gibt es viele. Welche auch immer es sein mögen, woanders neu anzufangen fällt schwer. Schlecht, wenn man dann Ablehnung erfährt. Gut, wenn man gern gesehen ist und unterstützt wird. Menschen, die zu uns kommen, sie erleben beides.

Menschen mit Migrationshintergrund: Ich gratuliere meinen beiden Brüdern und mir. Was uns eint? Wir drei gelten als eben solche, unsere Väter stammen aus Indien, Afrika und Großbritannien. Nur unsere Schwester, sie ist nicht Teil dieser Gruppe. Während diese und einer meiner Brüder zur Adoption freigegeben wurden, wuchs ich mit dem verbleibenden Bruder auf. Sein Vater war indischer Herkunft und ins Land gekommen, um Geld zu verdienen, sich eine Zukunft aufzubauen. Aus meiner Perspektive der natürlichste und legitimste Grund für Migration. Mein Vater, ein Brite, war einfach nur in Celle stationiert und kehrte irgendwann nach England zurück. Ich kenne ihn nicht.

Meinem Bruder und mir wurde schnell bewusst, wir wuchsen in den 70iger Jahren auf, dass wir irgendwie nicht dazugehörten zu der Gesellschaft und auch, dass man auf uns – aus vermutlich unterschiedlichen Gründen, die unter anderem in einer Nichtanpassung an sonstige gesellschaftliche Normen ihren Ursprung hatten – herabschaute. Beschimpfungen und verächtliche Bemerkungen waren an der Tagesordnung, Tommy-Bastard ist einer der Begriffe, an den ich mich noch entsinne. Und aufgrund des auffällig anderen Hauttones musste mein mit mir aufwachsender Bruder rassistische Anfeindungen über sich ergehen lassen, immer wieder. Dass unsere Mutter mit ihren vier nicht ehelichen Kindern mit in die Tiraden einbezogen wurde, vermag man sich vorzustellen.

Unser Umgang mit diesem Phänomen? Leiden, aushalten, irgendwann genug Selbstwert-gefühl entwickeln und einfach sein Ding machen. Genau das haben mein Bruder und ich getan. Umgeben und auch unterstützt von Menschen, für die das keine Rolle spielte.

Warum dieser Rückblick? Nun, damals war es dieses nicht näher zu definierende Gefühl kein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein. Abneigung und Ausgrenzung waren erlebbar, es fehlte aber noch so etwas wie ein Label, ein Status. Der Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ wurde uns nun zugewiesen. Danke, wir wissen jetzt endlich, wer wir sind, was uns ausmacht, uns definiert, es ist unsere Herkunft. Wirklich, wahrhaftig?

Oh, und integrieren möchten wir uns bitte auch noch. Ich kann hier nur für mich sprechen: Kooperation, Akzeptanz des hier gesetzten Rahmens des Zusammenlebens: Ja. Integration in eine Welt, die mir immer wieder mit Ablehnung begegnet ist aus unterschiedlichsten Gründen und dies bis heute tut: Nein, Danke. Es sind die Worte meiner Großmutter, die nachhallen. Bei all ihrer konservativ bürgerlichen Grundhaltung und den dazugehörigen Wertvorstellungen, begegnete sie uns mit Liebe, förderte unser Wohlergehen, wir waren ihre Enkel und sie unsere Oma. Und manchmal sagte sie, auch den Anfeindungen der Außenwelt begegnend: „Wir machen uns mit den Leuten nicht gemein.“ Damit bezog sie sich auf vielerlei. Für mich ein Satz, den ich allen freundlich entgegne, die mich ablehnen, weil ich bin, wer ich bin.