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Der 1. Mai

Foto von Ümit Yıldırım auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Ümit Yıldırım auf Unsplash

1886 in Amerika, ein Generalstreik für die Durchsetzung des 8-Stunden-Tages. Damit beginnt sie, die Geschichte des 1. Mais als Feiertag. Er verlängerte uns das zurückliegende Wochenende und viele nutzen die gewonnene freie Zeit für einen Kurzurlaub. Traditionell am 1. Mai: Kundgebungen und Feiern, dort oder um sie herum platziert Statements von Gewerkschaften und Politik. In diesem Jahr im inhaltlichen Fokus: Tariflöhne für möglichst alle Arbeitnehmer und der Transformationsprozess in der Arbeitswelt.

Die Forderungen nach besserer Bezahlung, auch diese werden laut. Sie ist der aktuellen wirtschaftlichen Situation geschuldet. Vor dem Hintergrund der Teuerungsraten fällt es vielen Menschen schwer, finanziell über die Runden zu kommen. Wirtschaftliche Sicherheit mithilfe eines auskömmlichen Einkommens, sie ist für die Gewerkschaften natürlicherweise mit Tarifverträgen und deren Reichweite verknüpft. Der Tendenz der Unternehmen, die Entlohnung nach einem zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelten Vertragswerk möglichst zu vermeiden, soll entgegengewirkt werden. Ein wichtiges Signal ist in diesem Zusammenhang die jüngste Initiative des Arbeitsministers Hubertus Heil staatliche Aufträge nur noch an Firmen zu vergeben, die sich an einen Tarifvertrag halten und ihre Mitarbeiter entsprechend entlohnen.

Die Veränderung der Arbeitswelt, sie war das zweite große Thema an diesem 1. Mai. Fort-schreitende Automatisierung, die Umstellung der in der Bundesrepublik bedeutenden Fahrzeug-produktion vom Verbrenner- auf den Elektroantrieb und die zunehmende Relevanz von Umwelttechnologien, bei der Erzeugung von Energien und der Beheizung von Gebäuden werden die Arbeitswelt nachhaltig verändern. Die Arbeitnehmer auf dem Weg dorthin zu unterstützen und zu begleiten, ist eine wichtige Aufgabe, um den Transformationsprozess erfolgreich zu bewältigen, eine Herausforderung, die gewerkschaftlicher Hilfe und politischer Lenkung bedarf.

Und dann ist da noch die Diskussion über die Vier-Tage-Woche, die dank der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken neue Fahrt aufnahm. Sie hatte am vergangenen Samstag gesagt, dass sie sich die Reduzierung der Wochenarbeitszeit um einen Tag gut vorstellen könne. Unmittelbar an die Äußerung anschließend ließen Gegenstimmen nicht lange auf sich warten: Von Seiten der CDU warnte man vor einer schlechteren Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Wirtschaft, ein Argument, welches der Mercedes-Vorstandschef sinngemäß ebenso vortrug und ergänzte, dass man vor dem Hintergrund des industriellen Transformationsprozesses „die Ärmel hochkrempeln müsse.“ Unterstützung erhielt Esken dagegen von Seiten der Gewerkschaften, die auf die Notwendigkeit branchengemäßer Arbeitszeitmodelle hinwiesen. Gerade von Seiten der IG-Metall befürwortet man eine Einführung der Vier-Tage-Woche in der Produktion, um eine längere Regeneration der anstrengenden Tätigkeiten nachgehenden Arbeitnehmer – besonders auch im Schichtdienst – zu ermöglichen.

Der 1. Mai, er wird alle 365 Tage einmal gefeiert, gearbeitet dagegen das ganze Jahr hindurch. Dass die Bedingungen dabei gut sind und die Bezahlung angemessen erfolgt, gilt noch lange nicht für alle Arbeitsplätze im Land. Hinzu kommen die zahlreichen Herausforderungen, die der industrielle Transformationsprozess den Beteiligten abverlangt. Um diese Probleme zu bewältigen, bedarf es der Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie der Politik, die immer dann initiativ werden sollte, wenn sich Unwuchten besonders zulasten der Arbeitnehmer abbilden. Rechtzeitig aktiv zu werden, zu vermitteln oder mithilfe von Gesetzen regulierend einzugreifen und zu lenken ist die Aufgabe des Staates. Ein Weiter und Voran in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten, es geht nur, wenn alle miteinander kooperieren und als gemeinsames Ziel eine gerechtere, vor allem auch verteilungsgerechtere Gesellschaft vor Augen haben.