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Das war die Krönung!

Foto von Chris Boland auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Chris Boland auf Unsplash

Daran kann ich mich noch entsinnen: die Heirat von Charles und Diana, seinerzeit kommentiert von der wunderbaren Elke Heidenreich in SWF3 in Kombination mit den dazu passenden Farbfernsehbildern, übertragen von der ARD. Seitdem habe ich wohl einen Blick auf das ein oder andere Großereignis im britischen Königshaus – zuletzt bei der Vermählung von Charles und Camilla – geworfen, aber eben nicht mehr. So war es auch am Sonnabend, ich gab Ikea den Vorzug, dass ich dorthin aufgrund einer ausgeprägten Leseignoranz gleich ein weiteres Mal am gleichen Tage reisen musste, ist eine andere Geschichte. Für mich übrig blieben zahlreiche Kurzberichte von diversen Nachrichtenportalen, aus denen sich eine Zusammenfassung der samstäglichen Geschehnisse in London zeichnen lässt: Das war also die Krönung.

Das königliche Programm: Die Prozession hin zur Westminster-Abbey, das Verleihen der Krone an den Monarchen King Charles und die Queen Consort Camilla und schließlich das obligatorische Präsentieren der Neugekrönten vom Balkon des Buckingham-Palastes aus. Der Weg zur Kirche, er verlief – polizeilich gut abgesichert – durch die Londoner Innenstadt. Ausgestattet mit Fahnen, Regenjacken, Schirmen, alle im Union-Jack-Design warteten Zehntausende auf das Königspaar, das in einer traumhaften Märchenkutsche von ihrem Schloss zum Krönungsort hinbewegt wurde. Dort, in der Abbey, warteten dann 2.200 Gäste, um der mehrstündigen Zeremonie beiwohnen zu können.

Eine wohl überlegte, auch zur umwelt- und sozialpolitischen Agenda von Charles passende Predigt des Bischofs von Canterbury schloss sich an, bei der Salbung nutzte man veganes Öl, vor Blicken geschützt durch einen Paravan. Erst dann konnte das Krönungszeremoniell erfolgen. Beachtenswert war im Anschluss die Begegnung des neuen Königs mit Vertretern anderer Glaubensrichtungen noch in der Kathedrale, ein weiteres Zeichen von Modernität und Weltoffenheit, zeitgemäß eben. Und nachdem der Weg mit der unbequemen Krönungkutsche zurück zum Palast bewältigt war, strömten die begeisterten Anhänger in Richtung des dortigen Balkons um Charles und Camilla, umrahmt von der nicht ganz vollständigen königlichen Familie, zu bejubeln und ihnen zuzuwinken.

Und was war sonst? Protest. Neben Klimaaktivisten versammelten sich Nicht-Königsanhänger. Die Gegner der Monarchie, demonstrierend und ausgestattet mit Schildern, machten sie ihr Ansinnen deutlich: „Not my King!“ Die Reaktion der Londoner Polizei war mehr als strikt, sodass Kritik von Human Rights Watch laut wurde. Tatsächlich hatte man mehrere Mitglieder der Organisation „Republic“ am Morgen festgenommen, damit sie das Ereignis nicht stören konnten.

Zudem wurde Protestmaterial von der Metropolitan Police konfisziert. Dieses Vorgehen legitimiert sich über eine kürzlich umgesetzte Novelle des Demonstrationsrechtes. Danach darf die Polizei Versammlungen verhindern, wenn sie Störungen der öffentlichen Ordnung erwartet. Ein solches Gesetz und die Aktionen der Ordnungshüter, dies alles entspricht nicht den Erwartungen, die man an eine moderne Demokratie im Umgang mit Protesten haben darf.

Und es sind eben diese Festnahmen, die Unterdrückung von Andersdenkenden, welche einen Schatten auf ein eigentlich erfreuliches Ereignis werfen: der Einsetzung eines Repräsentanten Groß-Britanniens, eines Botschafters für sein Land. Charles III. ist jemand, der auf seinem Weg zum Thron über lange Zeit hat bereits erkennen lassen, dass eine moderne Monarchie ihren Blick von dringenden gesellschaftlichen Problemen und den damit verbundenen Aufgaben nicht abwenden darf. Bei all den positiven Akzenten, die der König in seiner Zeit als Prince von Wales und auch bei den Feierlichkeiten gesetzt hatte, wäre es gut gewesen, Protest gegen ihn sowie die Institution Monarchie zuzulassen und auszuhalten, sich zu einem späteren Zeitpunkt so damit auseinanderzusetzen, dass man der anderen Seite gesprächsbereit und offen begegnen kann. Letzteres kann Charles III. noch nachholen, wenn er es denn mit einer Modernisierung wirklich ernst meint.