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Kiez Frauensee

Foto von Tyler Nix auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Tyler Nix auf Unsplash

Wer auf der Suche nach einer Unterkunft für eine Gruppenreise mit jungen Menschen ist und sich für einen Aufenthalt im Berliner Umland interessiert, der könnte auf diese Einrichtung stoßen: Kiez Frauensee. Die Anlage ist – so lautet die Selbstauskunft im Netz – ein Kinder- und Jugenderholungszentrum. Klar formulierte Hauptziele der Betreiber kann man auf der Internetseite nachlesen, Zitat: „konsequente, nachhaltige Natur- und Umweltbildung, Jugendbildung und Jugendbegegnung mit ausländischen und behinderten Menschen zur Förderung von Akzeptanz und Toleranz, Förderung kultureller und sportlicher Beschäftigung“. Ob die sprachliche Gestaltung der sicherlich guten Absichten der Betreiber insgesamt als gelungen bezeichnet werden kann, das sei jetzt einmal dahingestellt.

Eine Lerngruppe der Lina-Morgenstern-Schule aus Berlin-Kreuzberg entschied sich für einen Aufenthalt in der nicht allzu weit entfernten Einrichtung. Dort wollte man sich gemeinsam mit Lehrern auf die Mathematik-Abschlussprüfungen zum Erreichen des Mittleren Bildungsabschlusses vorbereiten. Der Aufenthalt in der gewählten Unterkunft im Ort Heidesee, er verlief allerdings anders, als geplant oder gar erwartet.

Es war in der Nacht vom vergangenen Samstag auf Sonntag, als die Schulklasse sich plötzlich einer Situation ausgesetzt sah, wie sie eigentlich undenkbar sein sollte. Die Schüler: Innen im Alter zwischen 15 und 16 Jahren, sie haben zum großen Teil einen Migrationshintergrund, wurden mit fremdenfeindlichen Äußerungen beschimpft und bedroht, die von weiteren in der Anlage feiernden Jugendlichen ausgingen. Unter anderem war ihnen zugerufen worden: „Wir klatschen euch weg, ihr Kanacken“. Schließlich hätten die ausländerfeindliche Beleidigungen skandierenden Randalierer sogar versucht, in die Unterkunft der Klasse einzudringen.

Wer sind die Täter? Bislang bekannt ist, dass es sich um eine Gruppe junger Menschen handelte, die ordnungsgemäß in der Einrichtung angemeldet gewesen war. Anlass ihrer Zusammenkunft: der 18. Geburtstag eines Mädchens, deren Mutter hatte den Aufenthalt im Kiez Frauensee gebucht. Die 17 bis 19jährigen, ein Teil von ihnen offenbar vermummt und alkoholisiert, zeigten dann unverhohlen und mit Drohgebärden ihre rassistisch motivierte Abneigung gegen die Schüler aus Berlin. Gestört hatten sich die Randalierer offenbar – das ist der Stand der bisherigen Ermittlungen – an den Kopftüchern, die einzelne Mädchen aus der Lerngruppe trugen.

Eine direkte körperliche Auseinandersetzung der beiden Gruppen konnte von der alsbald gerufenen Polizei verhindert werden. Die von dem Vorfall Betroffenen wurden nach und nach von ihren Eltern unter Polizeischutz aus der Ferien- und Freizeitanlage abgeholt, nachdem die Lehrkräfte entschieden hatten, den Aufenthalt dort zu beenden. Die Prüfung, auf die man sich vorbereiten wollte, sie wird wohl verschoben werden.

Erschreckend ist doch eines: In einer Freizeitanlage, die sich mit gewiss besten Absichten unter anderem interkulturelle Begegnungen als programmatisches Teilziel auf ihre Agenda gesetzt hat, geschieht genau das, was verhindert werden soll: Ein Mopp ausländerfeindlicher Jugendlicher beschimpft und bedroht Schüler mit Migrationshintergrund. Und das Entsetzen von Politik und Verantwortlichen ist groß. Dabei allerdings bleibt es, zumindest bis jetzt.

Rassismus und die Abgrenzung gegenüber Fremden, sie sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Diese zu identifizieren und ihnen mit Aufklärung, notfalls aber auch mit Strafen, entgegenzuwirken bleibt weiterhin eine unserer vornehmsten Aufgaben. Den anderen kennen zu lernen, wert zu schätzen, als Teil einer gemeinsamen Kultur wahrzunehmen – es bleibt zu hoffen, dass der Kiez Frauensee sich dem Erreichen dieses Ziels alsbald wieder vollständig und nach dem Ereignis des vergangenen Wochenendes noch einmal ganz neu zuwenden kann.