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Das Einfamlienhaus – kein Zukunftskonzept?

Foto von Emmanuel Codden: https://www.pexels.com/de-de/foto/strasse-gebaude-burgersteig-fenster-15366525/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Emmanuel Codden

Der Traum vieler Menschen: Ein kleiner Garten, der Rasen immer frisch gemäht, vielleicht eine Doppelgarage mit Rolltor samt der ordentlich gepflegten Zufahrt, im Zentrum das eigene Haus. Das Glück vieler Bundesrepublikaner liegt im Besitz einer Immobilie. Damit man sich diese – am besten selbst neu gebaut – leisten kann, werden Überstunden gemacht, Wochenenden auf der Baustelle verbracht. Auch auf Urlaube wird so lange verzichtet, bis das Eigenheimglück sich schließlich fertiggestellt vor den mittlerweile blank liegenden Nerven seiner Besitzer entfaltet. Für die Kinder, für die Zukunft, zur Absicherung des Alters. So ein Haus, meist in der Variante Einfamilienüberdachung bevorzugt, muss ganz offensichtlich eine Menge können.

Die Vorteile aus Sicht der Eigenheimbesitzer sind klar: Mehr Platz für die Familie, bessere Entfaltungsmöglichkeiten für die Kinder, selbstbestimmtes Gestalten des Wohnraums, weniger Bevormundung durch Nachbarn, die auch gerne mal an die Wand klopfen, wenn die Party zu laut ist und zu lange dauert. Ja, das ist alles richtig. Aber was ist der Preis für diese Vorzüge?

Zu viel verbrauchter Platz, zu viel zusätzlich versiegelte Fläche. Das sind die Hauptargumente der Münsteraner Ratsmehrheit, die per Beschluss die Möglichkeiten für den Bau weiterer alleinstehender Einfamilienhäuser nun deutlich begrenzt. Die Zukunft sieht man in Reihen- und vor allem Mehrfamilienhäusern. Ergebnis: Eine bessere Energiebilanz und geringerer Platzverbrauch: Auf der gleichen Fläche, auf der man 25 Einfamilienhäuser bauen kann, könnten 160 Wohneinheiten auf vier Etagen in Mehrfamilienhäusern entstehen, so rechnet man in Münster vor. Dass auch die Baukosten geringer sind und zudem weniger Ressourcen bei Bevorzugung dieser Bauweise benötigt werden, sind weitere Vorteile. Und nicht nur Münster sieht das mehrheitlich so, auch in Hamburg-Nord wird seit 2020 der Bau von Einfamilienhäusern nicht mehr genehmigt.

Kritisch kann man solchen Vorhaben entgegensetzen, dass neue Wohngebiete mit Mehrfamilien- einheiten natürlich eine entsprechende Infrastruktur benötigen. Wo mehr Menschen miteinander leben, müssen Wege, Kanäle und auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr eingeplant werden. Wichtig sicher auch: Die in den sechziger und siebziger Jahren entstandenen Trabantenstädte sollten mahnend im Gedächtnis der Planer verankert sein, sie waren und sind kein Erfolgsmodell.

Gegenwind kommt erwartungsgemäß von den Verbänden der Wohneigentümer. Maßnahmen wie die in Münster seien ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Ist diese wirklich eingeschränkt, wenn ich an bestimmten Orten – auf dem platten Land wird das noch eine ganze Weile anders sein – kein neues Einfamilienhaus mehr bauen kann?

Es gibt Alternativen. Wer gerne eine eigene freistehende Wohneinheit besitzen möchte, der kann zunächst einmal auf Bestandsbauten ausweichen, die immer wieder angeboten werden, wenn deren Bewohner altersbedingt ausziehen. Ein solches Objekt lässt sich wunderbar entlang der eigenen Wünsche und Bedürfnisse anpassen und gestalten. Auch eine Einheit in einer Reihenhaussiedlung könnte eine geeignete Option sein. Dann sind da noch die Mehrfamilienhäuser: Sie bieten heute für jeden Bedarf architektonisch gut gestaltete Wohnungen mit kleinen Gärten, Terrassen, großzügigen Balkonen und vielem mehr. Diese müssen nicht immer neu gebaut werden: Wie aus bestehenden Plattenbausiedlungen moderner Wohnraum erschaffen werden kann, zeigen unterschiedliche Beispiele aus den östlichen Bundesländern.

Ich glaube, wie man wohnt, hat auch mit Gewohnheiten zu tun. Und die sind bekanntlich schwer zu ändern. Es scheint fast so, als wenn das Streben nach Wohneigentum an sozialisiert bzw. anerzogen wird und der Mensch sich dann nichts anderes vorstellen kann, als genau diesen oder einen zumindest ähnlichen in der Kindheit erlebten Wohnzustand anzustreben. Lohnt es sich wirklich, einen enormen Aufwand zu betreiben und selbst neu zu bauen? Wenn doch unsere Umwelt von modernen, ressourcenschonenden und auch energiesparenden Konzepten profitiert, ist zumindest das Umbauen von vorhandenen freistehenden Häusern, besser aber eben das Leben in größeren Wohneinheiten, ein so großes Opfer, dass man von der Einschränkung persönlicher Freiheiten sprechen muss?