netkiosk.digital

Wo Meinungen aufeinander treffen

Und nun die Bibel

Foto von Pixabay: https://www.pexels.com/de-de/foto/heilige-bibel-am-stand-372326/

Autor und Sprecher

avatar
Christian Spengler
avatar
Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

avatar
Thorsten A. Siefert

Foto von Pixabay

Gegründet wurde er von den Mormonen. Die Hauptstadt ist Salt Lake City. Man hat sogar eine eigene Staatswaffe, den Colt M1911. Namensgebend war das Volk der Ute, das auch heute noch dort lebt. Der Bundesstaat Utah, um den es hier heute geht, ist umgeben von Nevada, Idaho, Wyoming, Colorado, New Mexiko und Arizona. 3,2 Millionen Einwohner leben dort. Fast 90 % von ihnen sind Weiße. Und die Menschen in Utah mögen Kinder, die Fertilitätsrate liegt bei 2,29 Nachkommen pro Frau.

Die Verfassung betont die Trennung von Staat und Kirche. Man hatte Sorge, dass die Mormonen, sie stellen heute noch einen Anteil von über 62 % an der Bevölkerung, zu viel Einfluss ausüben. Die Wohnstruktur ist ländlich, politisch sind die Republikaner führend. Für diese sind religiöse Werte von besonderer Bedeutung. Die Familie steht im Mittelpunkt ihrer Vorstellung vom Zusammenleben in einer Gesellschaft. Wikipedia-Wissen Ende.

Immer eine gute Idee ist es, sich zu informieren. Über Utah ein wenig zu wissen, das schadet besonders dann nicht, wenn es zum Verständnis dessen beiträgt, was dort gerade geschieht. Über den Kulturkampf in den USA haben wir hier bereits berichtet und das Thema in einigen Beiträgen immer wieder gestreift. Ein Mittel, dessen sich die regierenden konservativen Kräfte gerne bedienen, ist der Eingriff ins Bildungswesen. Konkreter: Bestimmen, was thematisiert wird und Einfluss darauf nehmen, was ein inhaltliches Tabu sein soll. Darum geht es. In Utah wurde im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, dass es erlaubt, Bücher und Filme mit „pornografischen und unanständigen Inhalten“ aus den Schul-bibliotheken und dem Unterricht zu verbannen.

Alles, was vorliegen muss, damit nicht Erwünschtes aus den Schulen verschwindet, ist eine Beschwerde. Sodann entscheidet ein Komitee darüber, wie zu verfahren ist. Auf diesem Weg übermittelte Bedenken gegenüber Büchern gab es bislang reichlich, nicht nur in Utah. Eine Analyse von 1065 Missbilligungen solcher Art aus 37 Bundesstaaten – die meisten von immer den gleichen elf Verfassern zu Papier gebracht – kommt zu folgendem Ergebnis: Die Schreibenden wenden sich gegen Literatur, in denen es um mehr Toleranz im Miteinander geht.

Eine Beschwerde, sie richtete sich gegen ein Buch, von dem man nicht vermutet hätte, dass es auf den Index kommt: Die Bibel. Ein Schulbezirk, Davis County unweit von Salt Lake City, verbot das für Christen zentrale Werk. Aus Grund- und Mittelschulen musste es nun entfernt werden. Und dass, obwohl das verantwortliche Komitee keinen grundsätzlichen Gesetzesverstoß erkannte. Aber: Sicher ist eben sicher.

Ausgangspunkt der erfolgreichen Beschwerde war der Ärger von Eltern, die das Gesetz aus 2022 deutlich kritisierten. Diese fragten, warum nicht eines der „sexgeladensten Bücher überhaupt“ verboten werde. Ein Werk, welches sich mit Themen wie „Inzest, Masturbation, Sex mit Tieren, Prostitution, Genitalverstümmelung, Oralverkehr, Dildos, Vergewaltigung und sogar Kindesmord“ beschäftige.

Als nächstes geht es wohl dem „Buch der Mormonen“ an den Kragen. KSL, ein lokaler Fernsehsender, berichtet davon, dass am letzten Freitag eine entsprechende Beschwerde vorgelegt wurde. Zudem reichte man eine weitere Eingabe bezüglich der Bibel ein. Ziel ist die Entfernung der Werke aus allen Schulen des betroffenen Distrikts, also auch aus High-Schools.

Den Eltern, die das Bibelverbot ausgelöst hatten, ging es um Protest. Sie wollten ihrem Ärger über das Verschwinden von immer mehr Büchern aus Schulen Luft machen. Und die Liste der Literatur, die nicht mehr gelesen werden soll, sie ist lang. Wie man auf der Internetseite von Pen America erfahren kann, sind es mittlerweile 52 Bücher, welche im größten Schuldistrikt Utahs verboten wurden. LGBTQ+ -Figuren bzw. entsprechende Themen werden in einem Teil dieser Werke berührt.

Ein erstes kleines Licht des Widerstands am Horizont der Vernunft, auch hierüber informiert Pen America, ist die Entscheidung des School Boards von Alpine. Man werde aus Gründen der Meinungsfreiheit die Bücher nicht entfernen, sondern lediglich vorübergehend in einen geschützten Bereich stellen. Ob die Kinder an die Literatur herankommen, darüber würden dann die Eltern entscheiden.

Utah, wir erfuhren es eingangs, geprägt durch die glaubenstreuen Mormonen, politisch geführt von den Republikanern. Ein Bundesstaat mit einer eher ländlichen Struktur. In einer solchen Umgebung, der in den meisten Fällen schon eine konservative DNA zu eigen ist, gibt es oft ein klares Feindbild: Alles, was vom Glaubens- und Familienideal abweicht, was Werte des Liberalismus repräsentiert, stellt eine Bedrohung dar. Wenn eine solche Haltung politisch angefeuert und somit verstärkt wird, dann mündet die so begünstigte schon bestehende Abwehrhaltung schnell in Verbote und Ausgrenzungen. Und das ist meist erst der Anfang.

Es könnte so einfach sein. Leben und leben lassen. Menschen so zu respektieren, wie sie sind. Dies kann nur gelingen, wenn man die eigenen Werte nicht über die der anderen stellt. Toleranz und dann Akzeptanz. Diese Grundsätze sind es, die eine Gesellschaft benötigt, deren höchstes Ziel immer Zusammenhalt sein muss und nicht die stetige Suche nach Trennendem. Darauf hinzuwirken und Interessen zusammenzuführen, Unterschiede zuzulassen, wäre zunächst die Aufgabe der Politik. So, wie es sich jetzt darstellt, sind die meisten Republikaner im Moment weit davon entfernt. Und nicht nur in Utah, auch in Florida hat man einen vergleichbaren Weg eingeschlagen.

Der Kulturkampf im heutigen Amerika – gerade auch durch das Warmlaufen für die US-Präsidentschaftswahl angefeuert – geschieht auf Kosten derer, die eine Gesellschaft besonders schützen sollte, da ihre soziale Stellung noch höchst fragil und ungesichert ist. Und es geschieht auf Kosten der nächsten Generation. Ihnen vorzuenthalten, wie vielfältig unser Zusammenleben sein kann, macht sie nicht zu toleranten, weltoffenen Menschen. Das ist intendiert und gleichzeitig gefährlich, denn ein friedliches Zusammenleben, es wird so immer schwerer.