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Das größte denkbare Tierwohl

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

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Die Sache mit dem Laborfleisch, sie ist bislang ein zweischneidiges Schwert. Das liegt am Herstellungsverfahren. Es beginnt mit einer Muskelgewebeprobe, die man einem lebenden Tier entnimmt. Diese dient zur Gewinnung von Stammzellen, welche in einer Nährlösung wachsen. Damit das funktioniert, müssen die Zellen mit einem Wachstumsserum versorgt werden. In sogenannten Bioreaktoren entstehen dann schließlich Muskelfasern. Das Problem: Bislang gewinnt man das benötigte Wachstumsserum aus dem Blut lebender Föten von Rindern. Um an dieses zu kommen, erfolgt die Schlachtung eines tragenden Muttertieres. Dann entnimmt man den Fötus, der dadurch stirbt, um an dessen Blut zukommen. Ethisch ist das mehr als ein Pferdefuß und grausam.

Good Meat hat ein in Singapur bereits zugelassenes Verfahren entwickelt, bei dem auf Wachstumsseren aus Rinderföten verzichtet werden kann. Eine große Produktionsstätte, in der die neue Methode zum Einsatz kommt, soll nächstes Jahr in Singapur den Betrieb aufnehmen, eine weitere etwas Kleinere noch in diesem Jahr in Kalifornien. Neben Good Meat arbeiten auch andere Unternehmen erfolgreich an alternativ hergestellten Wachstumsseren. Es besteht also Hoffnung auf Laborfleisch, für das zukünftig kein Tier mehr leiden und sterben muss.

Dass In-Vitro-Fleisch ein Produkt mit Zukunft ist, zeigt diese in der letzten Woche erfolgte Entscheidung: Das Landwirtschaftsministerium in den USA, es genehmigte den Verkauf von Fleisch aus dem Labor. Der genaue Begriff für das neue Nahrungsmittel ist „kultiviertes Fleisch auf Zellbasis“. Die beiden Unternehmen, die die Erlaubnis zur Vermarktung ihrer Produkte erhielten, sie stellen Hähnchenfleisch her. Hähnchenfleisch, für das kein Hähnchen sterben musste und in naher Zukunft auch produziert ohne die Verwendung von Kälberseren.

Die Hersteller Good Meat und Eat Just, sie werden zunächst das künstliche Fleisch an Restaurants in San Franzisco und Washington liefern. Wann das tierfreundliche Produkt in den Regalen der Lebensmittelhändler landet, hängt davon ab, wie schnell es den Firmen gelingt, die benötigten Mengen zu produzieren.

Die konventionelle Produktion von Fleisch belastet die Umwelt erheblich. Die beste Alternative dazu besteht in einer rein pflanzlichen Ernährung, die auch als gesünder gilt. Die Herstellung von In-Vitro-Fleisch ist bislang nicht klimafreundlicher als die Haltung von Tieren. Fachleute weisen darauf hin, dass die hohen Energiemengen, die für das Erschaffen künstlichen Fleisches benötigt werden, mithilfe von regenerativen Energiequellen gewonnen werden müssten. Nur dann könne auch von einer klimafreundlichen Produktion gesprochen werden.

Schließlich die Frage nach dem Preis. Bislang wird Laborfleisch in guten bis sehr guten Restaurants serviert. Wann es bei Aldi und Lidl erhältlich sein wird? In unserem Wirtschafts-system gilt: Je mehr von einer Sache hergestellt wird, desto geringer sind die Produktionskosten. Nur so lässt sich überhaupt ein günstiger Endpreis realisieren. Hier heißt es abwarten. Wie schnell die entsprechenden Fabriken entstehen und welchen Output sie haben werden, wie lange eine solche Umstellung dauern wird, das weiß zurzeit noch niemand.

Ich freue mich. Für die Tiere. Was wir Menschen ihnen antun, wie wir sie halten, quälen und schließlich umbringen. Würden wir uns mit ihnen gleichsetzen, sprächen wir von Versklavung und Massenmord. Aber es sind ja vermeintlich Geschöpfe, über denen wir mit unserer Existenz stehen. Und die Natur hat das alles so eingerichtet. Ich teile diese Ansichten, gerne voller Überzeugung und ohne irgendeinen Zweifel vorgetragen, so jedenfalls nicht. Und nein, ich bin kein Vegetarier, pflanzlicher Fleischersatz konnte mich bislang geschmacklich nicht überzeugen. Ich mag – wenn auch nicht in großen Mengen – Fleisch. Folglich hoffe ich nun auf die In-Vitro-Variante. Fleisch essen ohne Fleisch essen zu müssen scheint zum Greifen nahe zu sein. Endlich.