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Wo Meinungen aufeinander treffen

Moms for liberty

Foto von Tim Mossholder auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Tim Mossholder auf Unsplash

Kulturkampf in Amerika, nächstes Kapitel. „Moms for Liberty“, die Bezeichnung ist irreführend, eine Gruppe von Frauen, die erzkonservative Positionen vertritt und dem rechtsextremen Lager in Übersee zuzurechnen ist. Der Gegner, längst identifiziert: Aufklärung, Anti-Diskriminierung oder die Rechte queerer Schüler im Bildungssystem – diese Themen sind Vertreterinnen der 2021 gegründeten Organisation mit ihren ca. 120.000 Mitgliedern mehr als ein Dorn im Auge.

Begonnen hat die Fehde der rechten Mütter schon während der Pandemie, als man gegen das seinerzeit verordnete Tragen von Masken protestierte. In Tennessee verlangten Mitglieder der Vereinigung „Moms of Liberty“, dass Bücher, die das Thema Bürgerrechte behandeln, aus dem Unterricht verbannt werden sollen. Beispiel: Frances E. Ruffins Buch „Martin Luther King and the March on Washington”. Werke dieser Art und die dazugehörigen Bearbeitungshinweise für Lehrer, sie münden nach Meinung der Beschwerdeführenden, in einem sich gegen Weiße, Amerikaner und auch Mexikaner richtenden Unterricht.

Historische Fotografien, also Dokumente ihrer Zeit, wie eine Aufnahme auf der weiße Feuerwehrmänner Schläuche mit hohem Druck gegen schwarze Kinder richten, werden so zum Problem. Natürlich kann dieses Material genutzt werden, um zu polarisieren, zu spalten, zu manipulieren. Aber das entspricht sicher nicht der Realität an Schulen. Tatsächlich kann man damit Unterricht so gestalten, dass der in der amerikanischen Gesellschaft tief verwurzelte Rassismus als überzeitliches Phänomen gezeigt wird und mit den Schülern Modelle eines vorurteils- und gewaltfreien Zusammenlebens gedacht und vielleicht sogar entwickelt werden, also mit ihnen auf eine Verbesserung der Zustände in der Zukunft hingearbeitet wird. Eine Zukunft, in der sie leben und die sie gestalten sollen.

Milde formuliert sind die von den Müttern vertretenen Positionen unerträglich. So etwa die Forderung, queere von heterosexuellen Schülern im Unterricht zu trennen. Es gäbe ja auch, so „Moms for Liberty“- Mitglied Crystal Alonso, eigene Klassenräume für Kinder mit Autismus oder Downsyndrom. Ergänzende Ausführungen von ihr, sie sollen so klingen, als ob Alonso sich um die queeren jungen Menschen sorge. Wenn diese zusammen mit heterosexuellen Gleichaltrigen unterrichtet werden würden, müssten sie sich für ihre Orientierung schämen. Ausgesprochen empathisch.

Und dann ist da noch dieses Zitat, das Sie aus Ihrem Geschichtsunterricht kennen sollten. Veröffentlicht in einem Newsletter am 22. Juni. „He alone, who owns the youth, gains the future.” Und? Auf deutsch: „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.“ Erinnern Sie sich? Falls nicht, „Moms for Liberty“ haben das Zitat selbstverständlich mit dem Namen des Autoren versehen: Adolf Hitler.

Die organisierten Mütter, sie sind ernst zu nehmen und kennen auch keinen Halt, wenn sie zum Beispiel Belohnungen für Hinweise auf Lehrer aussetzen, die als politisch links einzuordnen sind. 275 Schulratswahlen, diese Gremien entscheiden bei Finanz- und Personalfragen, aber auch der Festlegung von Unterrichtsinhalten an Schulen mit, konnten diese mit eigenen Kandidatinnen gewinnen. Das schafft für die „Moms of Liberty“ Möglichkeiten, den Einfluss auszuüben, den man zu haben wünscht. Und wenn man Politiker wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis und Ex-Präsident Trump hinter sich weiß, beflügelt das gewiss zusätzlich.  

Schule muss ein geschützter Ort sein, wo Kinder die zentralen Werte unserer freiheitlichen Demokratie kennen lernen und erfahren sollen. Das ist nicht nur von theoretischem Wert. Aus den jungen Erwachsenen werden Menschen werden, die unsere demokratische Gesellschaft in die Zukunft tragen und gestalten. Dies kann nur gelingen, wenn ihnen das, was weiterzugeben wichtig ist, ohne Voreingenommenheit vermittelt wird. Umso wichtiger ist es also, Schule von jedwedem politischen Einfluss freizuhalten. Im Amerika dieser Tage geschieht genau das Gegenteil und niemand scheint es verhindern zu können. Weiterhin schlechte Zukunftsaussichten für diese Demokratie.