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Wo Meinungen aufeinander treffen

Die AfD antanzen

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von cottonbro studio

Kapitel 1 – Grundsätzliches: Wann eine Partei als demokratisch im Sinne des Grundgesetzes gelten kann, das lässt sich gut beurteilen. Steht sie zu den zentralen in unserer Verfassung festgeschriebenen Grundrechten und Werten? Wenn daran Zweifel bestehen, dann ist das an sich schon problematisch. Wenn bei einer aktuellen repräsentativen Umfrage 57 % der Menschen im Land den Begriff „rechtsextrem“ für angemessen halten, um diese Partei zu beschreiben, ist das äußerst bedenklich. Wenn dazu noch das Bundesamt für Verfassungsschutz im März 2021 die Partei zum rechtextremistischen Verdachtsfall erklärt – ein Widerspruchsverfahren der politischen Gruppierung gegen die Bestätigung dieser Einschätzung durch das Verwaltungsgericht Köln vom März 2022 ist noch nicht entschieden – dann sollte man wohl deutlichen Abstand zu einer solchen politischen Vereinigung halten. Deren Bezeichnung übrigens lautet AfD. Und der Mann, dessen Abstandstempomat versagt hat oder der ihn absichtlich deaktivierte, er heißt Friedrich Merz.

Kapitel II – Gestern: All diese grundsätzlichen Überlegungen müssen ihm entweder egal sein oder er wollte einfach mal etwas ausprobieren. Jedenfalls wissen wir seit gestern, nachdem das ZDF das Sommerinterview mit dem CDU-Vorsitzenden ausgestrahlt hatte, unter welchen Bedingungen der Parteichef der großen Volkspartei sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen kann. Pardon: Konnte. Ausgeschlossen hatte er Kooperationen in gesetzgebenden Körperschaften auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. So weit so klar. Allerdings: Eine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene hielt er für machbar, denn schließlich wäre das zugrunde liegende Mandat der AfD ein Ergebnis demokratischer Wahlen.

Kapitel III – Die Reaktionen am Montagmorgen: Sie waren heftig, besonders auch innerhalb der CDU. Tenor: Es gäbe einen Beschluss mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten, und zwar in jeglicher Form. Daran habe man sich zu halten. Deutlich wurde auch immer wieder, dass aus der Sicht der CDU die AfD keine demokratische Partei ist, sondern als Bedrohung für die freiheitliche Demokratie in der Bundesrepublik wahrgenommen wird. Lediglich, das konnte niemanden überraschen, der neue CDU-Generalsekrätär Carsten Linnemann stand seinem Vorsitzenden zur Seite und versuchte zu erklären, was Merz gemeint hatte.

Aus den anderen Parteien war die Kritik ebenso deutlich wie aus den eigenen Reihen. Sowohl von Seiten der Grünen als auch der FDP wurden die Äußerungen des CDU-Chefs scharf verurteilt.

Und es war die Bundesvorsitzende der Frauen Union, die ganz deutlich machte, warum es einen mal-so-mal-so-Umgang mit der AfD nicht geben kann: Die Partei und ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte, so Annette Widmann-Mauz, blieben die gleichen, egal auf welcher Ebene.

Kapitel IV – Zurückrudern: Das musste Friedrich März dann im Verlauf des Montagvormittags. Er stellte klar, dass die Beschlusslage weiter gilt. Folglich werde es keine Zusammenarbeite der CDU mit der AfD geben.

Kapitel V – Schlussbetrachtungen

Kommen wir zum Anfang zurück. Meinte es Merz ernst? War es einfach nur ein Stimmungstest? Folgt Vorsitzende der großen Volkspartei nur einer Entwicklung, die längst begonnen hat? Mehr als einmal hat die CDU zusammen mit der AfD über Sachverhalte einvernehmlich abgestimmt. Traurige Berühmtheit erlangte eine Abstimmung im Kreistag zu Bautzen im Dezember letzten Jahres, bei der die CDU einem Antrag der AfD folgend dafür stimmte, Integrationsleistungen für ausreisepflichtige Menschen zu kürzen. Und potentielle CDU-Kandidaten für die im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen kandidieren möchten, sie sehen die „Brandmauer“-Politik der großen Volkspartei gegenüber der AfD kritisch. Die Motive von Merz, Äußerungen wie die Gestrige zu tätigen, sie sind sicher vielschichtig. Stoff für zukünftige Analysen.

Eines allerdings sollte der CDU-Vorsitzende wissen und es muss eigentlich jedem Demokraten klar sein: Rechtsextreme Kräfte lassen sich nicht wirklich kontrollieren und in eine Demokratie integrieren. Das zeigt die Geschichte.