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Rentenkrach

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

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Schauen wir doch erstmal, wie das Ganze grundsätzlich funktioniert. Die Rentenversicherung in Frankreich, sie steht auf drei Säulen: da gibt es eine Basisversorgung, die Auszahlung des Geldes erfolgt über 42 Kassen, die berufsgruppenbezogen sind. Daran reiht sich eine ergänzende Zusatzrente und wenn gewünscht noch ein privat zu finanzierendes Rücklagesystem. Die ersten beiden Zweige der Altersvorsorge sind wie in der Bundesrepublik Deutschland umlagefinanziert. Im Jahr 2022 lag das Rentenniveau in unserem Nachbarland bei im Durchschnitt 1.509 €. Was die Basis-Altersbezüge angeht, so garantiert der französische Staat den Pensionären ein Minimum von 1.100 €. Das Renteneintrittsalter liegt bei 62 Jahren. Um die Versorgungslücke zum letzten Arbeitslohn – die Grundrente deckt nur etwa 50% der bisherigen Einkünfte ab – zu verkleinern, wurde die ergänzende Pension in den 70iger Jahren verpflichtend eingeführt. Die Privatrente spielt eher eine untergeordnete Rolle in Frankreich.

Welche Veränderungen enthält nun die Reform, die für so viel Unruhe in der französischen Gesellschaft sorgt? Es soll ein einheitliches Rentensystem statt der bislang existierenden 42 berufsgruppenbezogenen Einzelversicherungen entstehen. Das ist allerdings mit dem Verlust von Privilegien verbunden, Lokführer konnten sich zum Beispiel bislang mit 52 Jahren pensionieren lassen. Das Renteneintrittsalter soll generell erhöht werden, jeder der 1975 oder später geboren wurde, wird nun erst mit 64 Jahren in den Ruhestand eintreten können. Wer nach der neuen Regelung zeitiger aufhören möchte zu arbeiten, muss mit Abzügen rechnen, 5 % pro Jahr, die die Rente früher beginnt. Hingegen gibt es Boni für jedes weitere Arbeitsjahr über die Regelgrenze hinaus. Und pro Kind erhält man ebenso 5 % mehr.

Warum das alles? Wie in anderen westlichen Nationen hat auch die staatliche französische Rentenversicherung Finanzierungsprobleme, das Defizit ist enorm und wäre ohne eine Änderung des Systems Jahr für Jahr erheblich angestiegen. Die Reform zielt darauf, dass so die Pensionsfonds bis 2030 ausgeglichen sein werden.

Seit Wochen nun protestierten die Franzosen gegen diese Veränderungen und das zunehmend intensiv. In der Nacht auf Dienstag waren die Krawalle heftig, es kam zu 287 Festnahmen, man kann wohl von einer Krisenlage sprechen. Was war vorher geschehen? Die französische Verfassung sieht vor, dass ein Gesetz in Form eines präsidialen Dekrets dann als beschlossen gilt, wenn die Regierung einen daran anschließenden Misstrauensantrag – davon wurden sogar zwei vorgelegt – erfolgreich übersteht, was genauso eintrat. Man hat also gar nicht über das eigentliche Gesetz abgestimmt, sondern einen Umweg genommen. Ein weiteres Bemühen um einen gesellschaftlichen und zukunftsweisenden Kompromiss vor diesem Beschluss, gerade bei einer im Leben der Menschen so folgenreichen Veränderung, wäre wohl klüger gewesen.

Letzter Stand in der Angelegenheit: Möglicherweise scheitert die Rentenreform noch, denn Regierung und Opposition haben nun den Verfassungsrat in der Frage angerufen, der jetzt prüfen wird, ob das Gesetz der Verfassung entspricht.