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Wo Meinungen aufeinander treffen

Abkehr

Photo by Emma Bauso: https://www.pexels.com/photo/man-carrying-black-and-gold-briefcase-2253850/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Emma Bauso

Soweit hätte es nicht kommen dürfen. Nicht in einer freiheitlichen Demokratie, nicht in unserem staatlich organisierten Bildungssystem, dessen Auftrag es ist, zentrale Werte unserer Bundesrepublik als wichtig und unbedingt schützenswert zu vermitteln. Es ist die vornehmste Aufgabe des Staates, diese Werte zu verteidigen und bei Übertretungen derselben deren Beachtung anzumahnen, ggf. auch Sanktionen zu verhängen, wenn nicht verstanden wird oder werden will, dass das demokratische Fundament der Bundesrepublik unantastbar und unverrückbar ist.

Wenn Menschen gehen, alles hinter sich lassen, dann muss eine Menge passiert sein und sich entgegen aller Bemühungen und Anstrengungen in einer Sache nichts geändert haben, obwohl der Handlungsbedarf unübersehbar und nicht zu ignorieren war.  Wenn Unerträgliches unerträglich bleibt, wenn es an Solidarität und Unterstützung fehlt, man stattdessen Ablehnung oder Schlimmeres erfährt, wenn notwendige staatliche Maßnahmen entweder unterbleiben oder einfach nicht greifen, dann tritt irgendwann Resignation ein, die in ein Aufgeben mündet. Erfahrungen und Gedankengänge, die so oder so ähnlich dazu geführt haben mögen, dass zwei Menschen eine Konsequenz zogen: Laura Nickel und Max Teske, zwei junge engagierte Lehrer, tätig an einer Schule in Burg, das liegt im Spreewald des Landes Brandenburg werden im nächsten Schuljahr dort nicht mehr unterrichten.

Was genau führte dazu? Es war im …, wir berichteten darüber, als die jungen Pädagogen einen Brandbrief verfassten. Er beschrieb die Zustände in der Bildungseinrichtung, an der rechtsextrem orientierte Schüler offenbar die Oberhand haben. Hitlergrüße, rechte Musik in den Klassenräumen, ständige Diffamierung von Mitschülern, die einen Migrationshinter-grund haben, Bedrohungen, Mobbing, Sexismus und Homophobie – die ganze Bandbreite des Hässlichen und dringend Einzudämmenden.

Was genau dann passierte, weiß man nicht. Das Bildungsministerium teilte mit, man habe sich um die Schule und die beiden Pädagogen gekümmert. Dem entgegen steht die Darstellung des Lehrers Max Teske. An der Schule habe sich nichts geändert, das Kollegium sei gespalten. Einige Eltern hatten zudem gefordert, dass die beiden gehen sollen. Sie seien politisch aktiv und hätten ein eigenes Bild von Demokratie. Teske und auch seine Kollegin Nickel beschlossen schließlich, zum Ende des Schuljahres die Schule zu verlassen und stellten entsprechende Versetzungsanträge.

Am letzten Mittwoch schließlich der illegale Aushang von Bildern der jungen Lehrer in Burg, untertitelt mit einer Aufforderung an die beiden, doch nach Berlin zu gehen. Zudem war auf Instagram ein Account eingerichtet worden. Hier rief man zur Jagd auf beide auf. Und der Vorsitzende der AfD in Cottbus äußerte sich begeistert über den Weggang in einem Posting auf Twitter, in welchem er mitteilte: „Bürgerliches Engagement wirkt. Linksliberaler Denunziant verlässt Burger Schule.“

Dass ihr Engagement richtig und angemessen war, zeigte sich nicht nur dadurch, dass sich auch die Schüler alsbald über die Ereignisse an der Mina-Witkojc-Schule mitteilten, sondern sich in der Folge des Brandbriefes Menschen aus der Region zu einem „Bündnis für mehr Demokratie“ zusammenfanden. Zudem erfolgten nach dem öffentlichen Schreiben von Max Teske und Laura Nickel von anderen Schulen verstärkt Meldungen über dort auftretenden Rechtsextremismus an die entsprechenden Aufsichtsbehörden.

Der Weggang der beiden jungen Lehrer von ihrer Schule hinterlässt einen furchtbaren Nachgeschmack. Wenn auch nur der Eindruck entsteht, dass es dem Staat nicht gelingt, die für unsere Gesellschaft zentralen Werte durchzusetzen und jene zu schützen und zu unterstützen, die sich genau für diese einsetzten, dann gleicht das fast schon einer Kapitulationserklärung. Das rechtsextreme Kräfte gerade in einer das Bildungswesen betreffenden Angelegenheit augenscheinlich obsiegen, muss den Rechtsstaat und seine Institutionen wachrütteln.

Den Bundespräsidenten jedenfalls haben die jüngsten Ereignisse in Brandenburg unruhig werden lassen. Er resümiert, dass man wieder Menschen davon überzeugen müsse, dass die Demokratie nicht vom Himmel gefallen sei. Sie lebe davon, dass Menschen sich für sie einsetzen. Das, Herr Steinmeier, ist vollkommen richtig und wie das Geschehene zeigt, ist es allerhöchste Zeit für alle an der Demokratie Beteiligten initiativ zu werden, um unser Staatswesen und die Menschen, rechtsextremer Gewalt und Übergriffen ausgesetzt sind, zu schützen.