Autor und Sprecher
Technik und Gestaltung
Foto von Emir Anık
Die Verkehrswende, von ihr war gestern erst die Rede hier bei Today´s Day. Da sprachen wir über das 49-Euro-Ticket und auch davon, dass man dadurch die Attraktivität des ÖPNV möglicherweise steigern kann. Allerdings: Mit Bus und Stadtbahn fahren setzt voraus, dass diese Verkehrsmittel in einem angemessenen Takt, mit einer guten Vernetzung und nicht zuletzt verlässlich zur Verfügung stehen. Schaut man sich die Situation in den einzelnen Verkehrsverbünden an, so ist diese weit entfernt von dem beschriebenen Ideal. Faktisch werden die Verbindungen schlechter und die Preise steigen. So geht Verkehrswende jedenfalls nicht.
Die entscheidende Ursache für die doch sehr unbefriedigende Situation: Es fehlt an Fahrern. Bei einer Branchenumfrage des Verbands der Verkehrsunternehmen gab jede zweite Firma an, 2022 den Betrieb aus Gründen des Personalmangels wenigstens phasenweise eingeschränkt zu haben. Neben einer bemerkenswerten Krankheitswelle in jenem Jahr sieht man die Hauptursache im Fahrermangel. 2023 ist die Lage kaum besser, viele Verkehrsverbünde müssen ganze Linien zumindest temporär einstellen, weil niemand verfügbar ist, der Bahnen und Busse in Bewegung halten kann.
Der Altersdurchschnitt der Arbeitnehmer in diesem Bereich ist relativ hoch und bis 2030 werden ca. 80.000 Fahrer nicht mehr erwerbstätig sein, eine große Lücke beim Personal ist also absehbar. Ideen zur Lösung dieser gravierenden Probleme hat der Verband der Verkehrsunternehmen, sie reichen von der Wiederbeschäftigung bereits in Rente befindlicher Mitarbeiter über die Einstellung von studentischen Hilfskräften bis zur Senkung des Mindestalters für Fahrer.
Ein wichtiges Thema, eben auch im Kontext der Personalneugewinnung, ist die Lohnhöhe: In NRW erhalten Berufsanfänger im Fahrdienst 15,60 € in der Stunde. Zurzeit finden die Tarifverhandlungen statt. Die Arbeitnehmervertreter fordern unter anderem 650 € mehr Gehalt. Die erste Gesprächsrunde zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und der Deutschen Bahn endete bereits nach 2 Stunden, man wird wieder zusammenkommen müssen. Und da, wo der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes Anwendung findet, wurde bereits letzte Woche gestreikt. Bis die Tarifpartner einen Kompromiss erarbeitet haben werden, das wird wohl noch eine ganze Weile dauern.
Die Arbeit als Fahrer, sie ist anstrengend und erfordert höchste Konzentration, die Verantwortung belastet enorm. Bereitschaft zum Schichtdienst wird vorausgesetzt. Wenn bis 2030 die durch die Pensionswelle entstandene Lücke zu schließen ist und darüber hinaus nach Prognosen 20% mehr Mitarbeiter in diesem Bereich benötigt werden, muss sich etwas ändern. Es beginnt mit einer besseren Bezahlung. Praktikable Teilzeitmodelle und optimal abgestimmte Dienstpläne sowie belastungsadäquate Zulagen könnten Teile eines Angebotes an die Arbeitnehmer sein, das eine Tätigkeit als Fahrer wieder attraktiver werden lässt. Erst dann werden Bus, Stadt- und Straßenbahnen zuverlässige, gut verfügbare und zum Individualverkehr konkurrenzfähige ÖPNV-Angebote sein können.