netkiosk.digital

Wo Meinungen aufeinander treffen

Eine SMS

Foto von LinkedIn Sales Solutions auf Unsplash

Autor und Sprecher

avatar
Christian Spengler
avatar
Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

avatar
Thorsten A. Siefert

Foto von LinkedIn Sales Solutions auf Unsplash

Lohn und Gehalt, sie finden in vielen Fällen zum Monatsanfang ihren Weg auf unsere Konten. Und wenn wir keiner Arbeit nachgehen, dann können wir doch damit rechnen, dass das notwendige und viel zu geringe Bürgergeld wenigstens pünktlich zur Verfügung steht. Nun stellen Sie sich bitte vor, das Konto wird nicht wie erwartet befüllt. Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen das schon einmal erlebt, in den meisten Fällen klärt sich ein solches Problem innerhalb kürzester Zeit. Dennoch, der Schreck ist erstmal groß und wer über keinen Dispositionskredit verfügt, bei Beziehern von Sozialleistungen ist das tendenziell eher zu erwarten, kommt ganz schön ins Rudern. Denn monatlich wiederkehrende Verpflichtungen, wie zum Beispiel die Strom- und Handyrechnung oder der fällige Betrag für das ÖPNV-Ticket wollen beglichen sein. Und wenn deren Abbuchung nicht erfolgen kann, ist das alles andere als ein gutes Gefühl und sorgt für Schwierigkeiten.

Sehr problematisch wird es dann, wenn das erwartete Geld überhaupt nicht eintrifft und voraussichtlich nie wieder eintreffen wird. Wie soll es dann weitergehen? Diese Frage stellten sich schon Ende letzter Woche 169.000 italienische Haushalte, die per SMS darüber informiert wurden, dass sie im August kein Bürgergeld mehr erhalten, dieses sei ausgesetzt. Nun war diese Maßnahme zwar bereits im Mai im Rahmen eines nicht zu Unrecht umstrittenen umfangreichen Gesetzespaketes durch die neofaschistische Regierung Italiens beschlossen und auch in den Medien veröffentlicht worden, aber offenbar realisierten die davon Betroffenen deren Folgen erst nach dem Empfang der Kurznachricht auf ihrem Handy.

Dabei geht es um Menschen, die auf diese Transferleistung angewiesen sind. Nur solche Haushalte, in denen behinderte Bürger, Minderjährige oder Personen im Alter über 65 Jahren leben, erhalten die Unterstützung noch in Form einer Bonuskarte für bestimmte Lebensmittel. Der Gegenwert beläuft sich auf 382 €.  Alleinstehende ohne Kinder und Menschen ohne Arbeit, sie gehen nun erst einmal leer aus. Ggf., so stand es in der SMS, wäre eine Übernahme der ausfallenden Leistungen durch die Sozialdienste möglich. Das aber hängt davon ab, ob man die Betroffenen als arbeitsunfähig klassifizieren wird. Näheres soll nach der Sommerpause geklärt werden.

Die Reaktionen im Land auf die Ankündigung der Maßnahme, sie waren heftig. Vertreter der Nicht-Regierungsparteien sprachen von einer Sozialbombe. Auch Forderungen nach der sofortigen Rücknahme des Zahlungsstopps wurden laut, Gewerkschaften riefen zu Protesten auf. Es ist eher fraglich, ob das die neofaschistische Meloni-Regierung in Italien beeindruckt. Diese argumentiert, dass das Bürgergeld für jene, die es bislang bezogen haben, keinen ausreichenden Anreiz bietet, arbeiten zu gehen.

Ein demokratischer Sozialstaat zeigt seine Qualität dadurch, wie er mit den Schwächsten der Gesellschaft umgeht, also unter anderem auch mit jenen, denen es nicht gelingt, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Eine staatliche Unterstützung muss es den Beziehern erlauben, ein menschwürdiges Leben in Teilhabe führen zu können. Nichts anderes sehen auch die Vorgaben der EU vor. Festgelegt hat man, dass die Grundsicherung mindestens 60 % des nationalen mittleren Einkommens entsprechen soll. Fast alle Mitgliedsländer verfehlen dieses Ziel, weil man sich bei der Berechnung an Minimalieinkünften orientiert. Das erscheint mir nicht ausreichend. Sozialleistungen komplett zu streichen und deren Bezieher per SMS davon in Kenntnis zu setzen, wie jetzt in Italien geschehen, nimmt den häufig ohnehin bereits gesellschaftlich ausgegrenzten Betroffenen ein weiteres Stück ihrer Menschenwürde.