Autor und Sprecher
Technik und Gestaltung
Foto von Anastasiia Petrova
„Frisch von deutsche Bauer!“ so steht es auf dem großen Schild an der Graf-Heinrich-Straße in Hachenburg. Hier verkauft der freundliche Betreiber eines kleinen Schnellrestaurants, mitunter auch dessen Gattin, die ganze Saison hindurch die wunderbarsten erntefrischen Erdbeeren des Westerwaldes von einem Anhänger aus. Die erste Schale dort erwarb ich am Sonntag für stolze 5 €. Dafür spare ich dann am Mittagessen, Erdbeeren sind mein persönlicher Spargel.
Man bekommt sie natürlich auch andernorts, den Start der Erdbeerzeit feierte ich mit Früchten sehr guter Qualität – Herkunft unbekannt – feil geboten von meinem Lieblingslebensmitteldealer Norma Mitte letzter Woche. Hier lag der Preis bei 1,49 €. Und natürlich erhalten Sie die Früchte auch bei Rewe, Lidl, Aldi, Netto und Edeka. In jedem Fall sind die roten Leckerbissen, sofern sie ein wenig von der Sonne verwöhnt wurden, ein Traum. Solo, leicht gezuckert mit Milch oder versteckt unter einem Berg von Sprühsahne.
Genug von persönlichen Glücksgefühlen. Fans der Erdbeeren aus lokalem Anbau, sie können sie aktuell an einem unfrohen Gesichtsausdruck erkennen. Der Grund liegt in folgender Nachricht: Für viele Bauern lohnt sich der Anbau nicht mehr, sie planen diesen alsbald einzustellen. Darüber berichtete unlängst tagesschau.de. Die Produzenten, sie haben vor allem mit zwei Problemen zu kämpfen, die das Geschäft mit den roten Früchten unrentabel machen: Die Kosten für den Dünger sind gestiegen, zudem müssen die Erntehelfer mit dem Mindestlohn in Höhe von 12 Euro bezahlt werden. Darüber hinaus gibt es starke Konkurrenz, die Saison ist relativ kurz und die Produkte müssen entsprechend ihrer Beschaffenheit unmittelbar nach der Ernte verkauft werden.
Erschwert wird die Situation durch Erdbeeren aus Portugal und Spanien, die günstiger hergestellt und angeboten werden. Hier können die bundesdeutschen Bauern nicht mithalten. Dass die Produktion heimischer Früchte bereits zurückgeht, kann man an der deutlichen Verringerung der Erdbeer-Anbauflächen erkennen.
Eine Hauptforderung der Bauern: Senkung des Mindestlohns für den Sektor der Obst- und Gemüseproduktion. Ja, das würde helfen die Preise niedrig zu halten, aber wäre es fair? Nein. Und ein Mehrklassen-Mindestlohnsystem stellt wohl eine Perversion des – und dass ist bedauerlich genug – leider unverzichtbaren staatlichen Eingriffs in die Lohnautonomie dar. Zudem: Bietet man den Erntearbeitern eine schlechtere Bezahlung an, dann werden sie in einen anderen Tätigkeitsbereich wechseln. Die vorgeschlagene Maßnahme stellt also keine Lösung dar.
Die Situation ist schwierig. Zudem werden die Preise durch die andauernde Inflation in die Höhe getrieben. Wenn wir ein Interesse an heimischen Erdbeeren haben, kann den Landwirten aus der Region nur dadurch geholfen werden, dass wir ihre Produkte kaufen. Häufig erhalten wir – dies sollte ein Argument sein – eine frische und sehr gute Qualität als Gegenwert für den vergleichsweise hohen Preis. Wenn wir auch in Zukunft Obst und Gemüse aus der Nachbarschaft kaufen und genießen möchten, werden wir nicht umhin kommen, gerade jetzt die Bauern in unserer Nähe durch den Kauf ihrer Produkte zu unterstützen, wenn es denn unser Portmonee zulässt.