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Wärme aus der Ferne

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

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Sommer 1994, Hannover, Halkettstraße. Meine erste eigene Wohnung, 2 Zimmer, Küche, Bad. Ein 34 Quadratmeter-Paradies im Erdgeschoss, unweit vom Vahrenwalder Platz. Allerdings, nach dem Sommer kam der Herbst, dann der Winter. Das Heizungssystem war keines, Haller-Meurer Gasofen im Wohnzimmer, Vaillant-Gasöfchen im Bad, für das Schlafzimmer ein kleiner Radiator.

Wärmequelle in der Küche? Fehlanzeige. Es war kalt, sehr kalt. Und mit einem geringen Einkommen spart man auch beim Heizen. Trotzdem, dort war 5 Jahre mein Zuhause. Und in den letzten anderthalb Jahren wurde eine Gas-Zentralheizung eingebaut. Ob diese allerdings von Herrn Habeck als umweltfreundlich bewertet werden würde, ich bezweifle es.

Es geht also heute ums Heizen. Energiewende, das heißt auch die Wärmewende. Dieses Thema sorgte in den vergangenen Monaten immer wieder für Aufregung, besonders wenn es um geplante Regelungen bei der Erneuerung von Heizungsanlagen ging. Nichts ist bislang beschlossen, nichts Gesetz. Eilmeldung vom Dienstagnachmittag, an dem dieser Artikel entstanden ist: Der Gesetzentwurf zum Austausch alter Heizungsanlagen soll noch diese Woche in den Bundestag.

Aktuell wird eine durchaus interessante Alternative zur eigenen Heizung diskutiert, die Fernwärme. Industrie und Bundesregierung trafen sich am Montag mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für den Ausbau festzulegen.

Zunächst einmal aber der Erklär-Netkiosk: Fernwärme lässt sich definieren als eine Form der Gebäudebeheizung, bei der die Wärmeenergie außerhalb des eigenen Hauses bzw. der Wohnung erzeugt wird. Heizkraftwerke unterschiedlicher Größe erhitzen Wasser, das dann durch isolierte Leitungen in die einzelnen Haushalte geführt wird. Dieses kann dort dann als Heizungswärme – bei Bedarf – auch als Warmwasser genutzt werden.

Sechs Millionen Wohneinheiten steht die Technologie im Moment zur Verfügung. Doch die Branche ist wachstumsorientiert und stellt eine Verdreifachung des bestehenden Angebots in Aussicht. Doch wie umweltfreundlich ist Fernwärme? Es kommt darauf an, wie man sie erzeugt.

Zu 70 % geschieht dies zurzeit mit fossilen Brennstoffen. Zwar verwendet man zur Bereitstellung der verbleibenden 30 % bereits anteilig erneuerbare Energiequellen oder Geothermie. Allerdings reicht das noch nicht aus. Abwärme aus Rechenzentren, Solarthermie und weitere Verfahren könnten zum Einsatz kommen und dafür sorgen, dass mehr Fernwärme umweltfreundlich bereitgestellt werden kann. Gut ist, dass bei einer Umstellung eines Heizkraftwerkes moderne Technologien gleich eine große Zahl von Wohnungen unter Verzicht auf schädliche Emissionen beheizt werden kann.

Ziel der Bundesregierung ist es jedenfalls, dass jedes Jahr 100.000 neue Fernwärme-anschlüsse bereitgestellt werden. Was die Klimaneutralität angeht, so strebt man hier bis 2030 eine Quote von 50 % an. Orientieren will man sich bei all dem an Dänemark, wo fast zwei Drittel der Haushalte mit Fernwärme versorgt werden. Die Anbieter wünschen sich eine Überarbeitung der Wärmelieferungverordnung sowie bessere Rahmenbedingungen für die Geothermie.

Aber es sind auch noch offene Fragen zu klären: Wie sieht es mit der Preistransparenz und dem Verbraucherschutz aus? Könnte es zu einer Anschlusspflicht kommen, wenn Haus oder Wohnung in der Reichweite eines Fernwärmenetzes liegen? Und gelingt es den Anteil erneuerbarer Energien – in Dänemark liegt dieser jetzt bereits bei 65 % – bei der Erzeugung sukzessive zu erhöhen? Im Herbst, also wenn die Heizsaison wieder beginnt, will man jedenfalls zu einer Fortsetzung des Treffens vom Anfang dieser Woche wieder zusammen-kommen.

Ist nun die Fernwärme das beste Verfahren zum Vollzug der Wärmewende? Sicherlich nicht allein. Final wird es wohl so sein, dass ein Wärmemix, bei welchem umweltschonende Technologien verstärkt zum Einsatz kommen, sich in wenigen Jahrzehnten durchgesetzt haben wird. Ein Weiter-So beim Heizen ist jedenfalls keine Option.