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Wo Meinungen aufeinander treffen

Graue Wölfe

Foto von sporlab auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von sporlab auf Unsplash

Es beginnt mit persönlichen Worten. Die ersten von ihnen kamen in den sechziger Jahren in die Bundesrepublik, andere viel später. Ich bin mit ihnen groß geworden. Und es war gut, dass sie gekommen waren. Nicht nur für die Wirtschaft, für die Gesellschaft. Auch für uns Kinder damals. Unser Aufwachsen machten sie vielfältiger, bereicherten es. Sie erwiesen sich als verlässliche und gute Freunde, später als großartige Arbeitskollegen. Das ist bis heute so. Ich bin froh und dankbar, dass sie mit uns sind.

Schwierig wird es dann, wenn sich Gruppen zusammenfinden, deren ideologische Grundhaltung sich so gar nicht mit dem vereinbaren lässt, was für mich als gesetzt und unverrückbar gilt und durch unser Grundgesetz geschützt ist: Demokratie und Freiheit mit all dem, wofür sich Menschen über Jahrhunderte eingesetzt haben, was uns nicht geschenkt wurde und was die Deutschen sich nach der Zeit des Hitlerfaschismus hart erarbeiten mussten. 

Mein Grundwerte-Seismograph, er ist hoch empfindlich. Sehe ich unser freiheitliches Fundament bedroht, melde ich mich zu Wort. Ganz sicher dann, wenn rechtsextreme Kräfte sich öffentlich präsentieren, in diesem Land Zustimmung finden und politisch erfolgreich sind, wie zum Beispiel die AfD. Aber ich bin nicht auf einem Auge blind. Mehr als Unbehagen, Nichtverstehen, gar Entsetzen empfinde ich, wenn nationalistische und unterdrückende Absichten von Menschen aus anderen Ländern ausgehen, die bei uns leben und es doch gerade aufgrund der von ihnen häufig erlittenen gesellschaftlichen Ausgrenzung besser wissen sollten. Mesut Özil hat solche Erfahrungen bei uns machen müssen, sicher nicht nur, weil er sich weigerte, die deutsche Nationalhymne vor Fußballspielen mitzusingen. Schließlich verließ er die Nationalmannschaft im Sommer 2018 und begründete dies mit fehlendem Respekt und Rassismus. 

Seit gestern in den Schlagzeilen: Die grauen Wölfe. Es ist der Fitnesstrainer des Fußballers Özil, der ein Foto veröffentlicht, auf dem beide ihre bestens trainierten Bauchmuskeln präsentieren. So weit, so wunderbar. Allerdings sieht man bei Mesut Özil auch ein Tattoo: eine Flagge, drei Halbmonde. Symbole der „Grauen Wölfe“. Problematisch, denn diese türkisch-nationalistische Gruppe vertritt Positionen, die kaum mit den politischen, sozialen und gesellschaftlichen Grundwerten der Bundesrepublik vereinbar sind. 

Geleitet ist die Bewegung von der Idee der Errichtung eines türkischen Großreiches, ihr Selbstverständnis das einer islamisch-türkischen Herrenrasse, was in die Unterdrückung anderer Volksgruppen und Völker mündet. Juden, Armenier und Kurden können von gewaltsamen Übergriffen berichteten. 

Die Aktivität der „Grauen Wölfe“, bis zu 11.000 Anhänger sollen sie hier bei uns im Land haben, ist mehr als problematisch. Sie machen deutlich, dass in ihrer Ideologie Demokratie und die Idee eines in Freiheit verbundenen Europas keinen Platz haben, Rassismus allerdings. Dann ist da noch die Jugendarbeit, die die Organisation betreibt. Den Weg zu den Kindern und Jugendlichen ebnet man sich über eigene Sport- und Kulturvereine. Wenn dann ein Role-Model wie Mesut Özil sich als Anhänger der „Grauen Wölfe“ zu erkennen gibt, dann hinterlässt das bei jungen Menschen durchaus einen Eindruck.

Es ist wohl so, dass die Vereinigung in der Türkei zum politischen Mainstream zu zählen und durch die Partei MHP sogar an der Regierung dort beteiligt ist.  Die demokratiefeindliche, radikale, rassistische, homophobe und rechtextreme Grundhaltung der Organisation ist nicht zu tolerieren. Verbände, die den „Grauen Wölfen“ zugeordnet werden, sie wurden in Frankreich verboten, nachdem es Übergriffe auf Franzosen mit armenischer Herkunft gegeben hatte. Zu öffentlichen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern kam es auch bei uns vor den Wahlen in der Türkei. In der Bundesrepublik wird jetzt einem Beschluss des Bundestags von 2020 folgend ein Verbot geprüft. Ein richtiger Schritt.