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Heimlich, still und leise – vom stillen Rückzug

Foto von Kat Smith: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-die-ihren-finger-zwischen-ihre-lippen-legt-568025/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Kat Smith

Sich einer Sache langsam entziehen, das kann kaum als neue Form des Verhaltens beschrieben werden, sondern war und ist häufig motiviert von der Intention, etwas zu beenden und dabei den Aufwand einer möglichen Auseinandersetzung möglichst gering zu halten, eine solche vielleicht sogar zu vermeiden.

Wir kennen diesen Trend bereits aus der Arbeitswelt, dort wird er mit dem Begriff „Quiet Quitting“ bezeichnet. Gemeint ist ein sukzessives Zurücknehmen des beruflichen Engagements, indem der Arbeitnehmer nur noch das tut, was wirklich erforderlich ist und vertraglich vereinbart wurde. Darüber hinaus gehendes sich Einsetzen, Überstunden machen und vieles mehr entfallen. Die Motive für dieses Verhalten sind unterschiedlich: Es gibt Menschen, für die eine bessere Balance von Arbeit und Privatem Priorität hat. Ihr Job macht ihnen Spaß, er ist keinesfalls ihr Leben. Dies trifft vor allem auf die Generation Z zu, ist aber über diese Gruppe hinaus ein Trend in der Gesellschaft: Das Private rückt in den Vordergrund, weil das Handeln in diesem Kontext als sinnstiftender und nachhaltiger empfunden wird.

Häufig entsteht „Quiet Quitting“ allerdings auch in einer Übergangsphase von einem Job zum nächsten. Man verabschiedet sich schrittweise, möchte vielleicht wegen des höheren Arbeitslosengeldes oder einer möglichen Abfindung eine Kündigung vermeiden und diese stattdessen dem Arbeitgeber überlassen.

Was können Unternehmen dagegen tun? Die Liste ist lang, sie beginnt bei besseren Gehältern, geht weiter in Richtung mehr Wertschätzung und beruflicher Förderung des Einzelnen. Auch vielfältigere Erholungs- und Gesundheitsangebote oder größere Freiräume für Kreativität können helfen, Mitarbeiter:Innen zu motivieren. Und genau solche Arbeitskräfte benötigen Firmen, persönlicher Einsatz des Einzelnen ist für den gemeinsamen Erfolg unverzichtbar. Vielleicht ist es notwendig, dass der Zusammenhalt, das Vorankommen, das Erreichen von Zielen wieder erlebt wird, ganz besonders der eigene Beitrag dazu. Denn nichts spornt so sehr zum Weitermachen und Tätigsein an, wie die erlebte Verbindung des eigenen Handelns mit einem guten Ergebnis.

Interessant ist nun, dass die Methode des stillen Rückzugs ihren Weg auch in die Welt der Beziehungen gefunden hat. Dieser Trend, bezeichnet mit „Quiet Dumping“ ist quasi eine Analogie zum „Quiet Quitting“, übertragen auf die Gestaltung des Endes einer Liebe.

Wie geht der Trennungswillige vor? Er hat weniger Zeit für den Partner, sagt Verabredungen kurzfristig ab, distanziert sich zunehmend und hofft, dass der andere so frustriert wird, dass die Partnerschaft sich quasi wie von selbst auflöst, man hat sie auslaufen lassen. Der Aufwand also ist gering, der Erfolg der Gewünschte.

Dieses Verhalten kann beim Gegenüber allerdings zu großen emotionalen Schäden führen. „Quite Dumping“ wird zu einer Form von „Gaslighting“, wenn der Gefährte von dem nach einer Trennung Strebenden Glauben gemacht wird, dass dieser sich die empfundene Veränderung nur einbilde, also alles in Ordnung sei. Kommod aus der Sicht des Verlassenden, perfide gegenüber dem Verlassenen.

Gegenmaßnahme: Bemerke ich, dass der andere gehen möchte, muss ihn damit konfrontieren und darf mich nicht davon abhalten lassen. Ein klärendes Gespräch ist unvermeidlich, denn es kann im besten Fall dafür sorgen, dass ein langer und nicht notwendiger Leidensweg vermieden wird. Ist das nicht möglich, dann hilft nur eines: Selbst die Beziehung beenden.

Das Gemeinsame von „Quite Quitting“ und „Quite Dumping“, es ist hoffentlich deutlich geworden. Ungeklärt bleibt die Frage, warum wir nicht mehr bereit sind uns mit den anderen auseinanderzusetzen, sei es nun am Arbeitsplatz oder in unseren privaten Beziehungen. Eine mögliche Ursache könnte die zunehmende Individualisierung in unserer Gesellschaft und das mit ihr einhergehende Voranstellen der eigenen Bedürfnisse sein, vielleicht weil menschliche Gemeinschaft über das engere soziale Umfeld hinaus und damit auch Verantwortung füreinander nicht mehr so erlebt werden wie vormals. Das Empfinden von Zusammengehörigkeit über den Partner und die Familie hinaus macht das erst aus. Sich wieder mehr für andere interessieren und miteinander kommunizieren sind wichtige Bestandteile des Fundaments einer funktionierenden Gesellschaft. Darauf müssen wir unser Leben bauen können, wenn wir aktuelle Schwierigkeiten und zukünftige Probleme lösen wollen, es geht nur gemeinsam.