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Wo Meinungen aufeinander treffen

Kulturkampf

Photo by Lerone Pieters: https://www.pexels.com/photo/people-protesting-on-street-9766673/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Lerone Pieters

Der Begriff „Kulturkampf“ lässt sich am besten definieren mit einem Ringen um die Vorherrschaft zwischen konservativen und liberalen Kräften in einer Gesellschaft. Genau eine solche Auseinandersetzung, sie findet bereits seit einigen Jahren und mit immer wieder neuen Zuspitzungen im heutigen Amerika statt. Angetrieben von den Republikanern und ihren Anhängern mit dem Ziel die Uhr eines aus ihrer Sicht zu weit fortgeschrittenem Liberalismus zurückzudrehen. Sichtbar werden lange Schatten von Wertesystemen, die man für eigentlich überwunden gehalten hatte: Ausgrenzung von Minderheiten, die für ihre Freiheitsrechte über Jahrzehnte gekämpft hatten, Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts der Frauen und die unverhohlene Rückkehr des Rassismus ans Tageslicht.

Thema Abtreibungen: Seit Jahrzehnten versuchen unterschiedliche Staaten in den USA die Rechte der Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch einzuschränken, zuletzt in Florida, wo eine Abtreibung nur noch bis zur sechsten Woche legal ist. Und die Auseinandersetzung um das Schwangerschaftsunter-brechungsmedikament Mifepriston, sie wird final von dem obersten Gerichtshof entschieden werden, der mehrheitlich konservativ besetzt ist. Er hatte letztes Jahr erst beschlossen, das Grundsatzurteil „Roe vs. Wade“ aufzuheben, das allen Bürgern der USA bis dahin ein Recht auf eine selbstbestimmte Abbruch-entscheidung ermöglicht hatte.

Wir berichteten unlängst über die Anti-Drag-Initiativen einiger Staaten, generell richtet man sich gegen die Rechte und Interessen der LGBTQ+-Community. Auch hier zeigt sich Florida führend, so ist der Gouverneur bestrebt, aufklärende Informationen zu Gender-Themen oder über die Vielfalt sexueller Orientierungen in Schulen zu untersagen.   

Neuer, trauriger Höhepunkt in der letzten Woche: Die Auseinandersetzung um das in den USA beliebte Bier „Bud Light“. Auslöser war die Kooperation des Unternehmens mit einer Influencerin. Ihr Name: Dylan Mulvaney. Zur Person: Sie ist Musicaldarstellerin, 26 Jahre alt und dokumentierte ihren Wechsel zum weiblichen Geschlecht auf Tik-Tok. Dylan ist also ein Social-Media-Star und hat im Übrigen 11 Millionen Fans. Nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen mit ihr Werbeverträge abschließen, um Kunden zu gewinnen.

Zurück zu „Bud Light“. Das konservative Amerika ist empört, Dylan Mulvaney wird zur Hassfigur stilisiert und kann sich kaum dagegen wehren. Trump-Anhänger Kid Rock veröffentlicht ein Video, in welchem er auf mehrere Kisten des Bieres mit einem Sturmgewehr schießt. Gerade im mittleren Westen wird das Getränk nun boykottiert, es gab Bombendrohungen gegen Fabriken des Konzerns. Dessen CEO, Brendan Whitworth gab nun am Freitag ein Statement zu der Situation ab. Dabei vermied es der Firmenchef sich in irgendeiner Weise mit seiner Werbeträgerin und der damit verbundenen LGBTQ+ – Community zu solidarisieren. Er sprach davon, dass man nie beabsichtigt habe, Teil einer Diskussion sein zu wollen, die Menschen entzweit. Vielmehr wolle man sie mithilfe des Bieres zusammenführen.

Das hat nun gar nicht funktioniert. Die Konservativen erwarten eine deutliche Entschuldigung und kritisieren, dass diese nicht erfolgt sei. Und LGBTQ+ – Community ist empört und versteht das Statement als Distanzierung. Neutraler hätte die Äußerung von Whitworth kaum ausfallen können und dennoch steigt weiter Rauch auf. Die Gräben sind tief und die Konfliktbereitschaft hat vor allem auf der konservativen Seite einen Umfang erreicht, der den Betrachter mehr als bedenklich stimmt. Es scheint, als seien die Türen der gesellschaftlichen Übereinkunft über die Grundlagen eines friedlichen und den anderen akzeptierenden Zusammenlebens längst aus den Angeln gehoben. Ein Weg zurück aus der andauernden Eskalation, eben auch weil er von Politikern des rechten Flügels gar nicht gewollt ist und man von dort aus den Konflikt vorantreibt und zuspitzt, erscheint im Moment weder denk- und schon gar nicht sichtbar. Das ist gefährlich.