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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

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Eine Gruppe von Menschen, zufällig ausgewählt. Ihre Aufgabe: Mitwirken am Zustandekommen politischer Entscheidungen zu einem Themenfeld, zu einer Fragestellung. Ihr Arbeitsergebnis: Empfehlungen, über die dann weiter beraten wird, die bestenfalls in Gestaltungs- und Gesetzgebungsprozesse einfließen. Bürgerräte entstehen, wenn sie von der Politik oder gesellschaftlichen Organisationen einberufen werden. So auch der für Bildung und Lernen, entstanden durch die Initiative der Montag Stiftung Denkwerkstatt aus Bonn. K/eine Chance, so der Titel der Broschüre, die aufzeigt, was im Handlungsfeld Bildung und Lernen zu tun ist, vom Bürgerrat der Öffentlichkeit vorgestellt wurde sie am vergangenen Montag.

Fest steht: In unserer Gesellschaft herrscht alles andere als Gerechtigkeit, ganz besonders wenn es um Fragen der Bildung geht. Wie erfolgreich ein Kind ist, hängt von einigen wenigen Faktoren ab: der finanziellen Leistungsfähigkeit der dazugehörigen Familie und ihrem Bildungsstand. Mitentscheidend für den Erfolg ist zudem, wie viel Zeit für die Nachkommen zur Verfügung steht sowie über welches sprachliche Vermögen die Eltern verfügen. Auch wo und wie man wohnt, es spielt eine Rolle. Diese Erkenntnisse, sie sind nicht neu. Dennoch hat sich in der Bundesrepublik diesbezüglich in den letzten Jahren nichts zum Besseren gewendet.

Die Empfehlungen des Bürgerrates Bildung betreffen drei Bereiche: Frühkindliche Bildung, die Allgemeinbildenden Schulen und die Berufliche Bildung. Für das erstgenannte Arbeitsfeld wird folgendes gefordert: Die frühkindliche Bildung, sie muss kostenfrei bis zur Einschulung sein. In den zwei Jahren davor möchte man den Besuch des Kindergartens verpflichtend machen. Insgesamt werden mehr Kitaplätze gewünscht. Die Zahl der Fachkräfte in den Einrichtungen soll erhöht werden, sodass in dann kleineren Gruppen eine angemessene Förderung möglich wird.

Die Idee ist nicht neu: Multiprofessionelle Teams an Schulen, die interagierend Lern- und Lebenswege gemeinsam mit den Kindern planen und gehen. Allgemeinbildende Schulen, das ist die Überzeugung der Bürgerräte, erhielten so die Möglichkeit, ihre Schüler besser und breiter aufgestellt zu unterstützen. Auch auf dem Wunschzettel: Längeres, gemeinsames Lernen kann helfen, Bildungswege offen zu halten, anstatt diese zeitig zu verbarrikadieren. Hinzukommen sollen besondere Lernangebote, in denen die Kinder jahrgangsübergreifend und themenbezogen arbeiten können. Dabei geht es vor allem darum, den Schülern ihre Begabungen und Stärken bewusst zu machen und Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.

Was die berufliche Bildung angeht, so soll sie früher als es bislang häufig Praxis ist, ihren Anfang in der Allgemeinbildenden Schule nehmen. Gefordert wird, dass das Fach „Berufsorientierung“ ab der 7. Klasse eingeführt und begleitend verpflichtende Praktika stattfinden sollen. Zudem wird gewünscht, dass die Schüler ab diesem Schuljahr in der Identifizierung und Förderung ihrer Stärken und Schwächen besser als bislang unterstützt werden. Zudem empfiehlt der Bürgerrat Bildung und Lernen, eine engere Zusammenarbeit von Schulen und Betrieben.

Schaut man sich im mittleren Bildungsbereich um, so werden einige Forderungen des Bürgerrats, was die berufliche Bildung betrifft, bereits umgesetzt und das auch erfolgreich. Raum für Verbesserungen gibt es immer, gerade im Handlungsfeld des Förderns. Das längere gemeinsame Lernen, wer wünscht es sich wirklich? Möchten Eltern, deren Kinder den mittleren Bildungsabschluss oder das Abitur anstreben tatsächlich, dass alle Schüler bis zum 10. Schuljahr gemeinsam lernen? Mein Eindruck ist, dass diese Gruppen eher am Fortkommen ihrer Kinder als an gemeinschaftlichem Lernen, welches auf Integration und Inklusion sowie die Fortentwicklung sozialer Kompetenzen ausgerichtet ist, interessiert sind.

Dass die vorgeschlagenen Modelle funktions- und tragfähig sind, zeigen gut konzipierte Integrierte Gesamtschulen und solche Orientierungsstufen, die das Miteinander lernen wirklich leben. Wichtig ist, dass diese Schulen personell gut ausgestattet sind und in der Tat auch in multiprofessionellen Teams gearbeitet wird. Ich kann mich eigentlich vorbehaltlos allen vom Bürgerrat vorgetragenen Feststellungen und Forderungen anschließen. Allein fehlt mir der Glaube, dass es ein ehrliches über Lippenbekenntnisse hinaus gehendes gesamtgesellschaftliches Interesse an Bildung als Mittel sozialer Emanzipation gibt. Das nämlich könnte das Ergebnis einer Umsetzung der Ideen des Bürgerrats Bildung und Lernen sein. Aus meiner Perspektive wünschenswert.