Autor und Sprecher
Technik und Gestaltung
Verärgert bin ich vor allem darüber, dass der Virus mich doch noch erwischt hat. Aber mit welchem Recht sollte ich ausgespart bleiben? Über vier Jahre gelang es mir, eine Infektion und die damit verbundene Erkrankung zu vermeiden. Mit viel Um- und Vorsicht, mit Rücksicht, mit der Einhaltung aller nur denkbaren Vorgaben, die dazu dienten, mich und andere zu schützen. Und dann im September 2024, exakt am 22. des letzten Monats, hatte ich nachweislich Corona, der Test zeigte zwei Striche und so fühlte sich mein Körper an diesem Tag auch an.
Wie Corona heute über vier Jahre nach ihrem Ausbruch verläuft, davon später. Zunächst ein Blick zurück. Erste Meldungen über ein bislang unbekanntes Virus, das eine Infektion mit Erkältungssymptomen hervorruft, erreichten uns im Dezember 2019 aus China. Von einem ersten Toten wurde am 11. Januar von dort berichtet. Das Infektionsgeschehen breitete sich
schnell in unserer globalisierten Welt aus. Und die Erkrankung bekam offiziell den Namen Covid-19, im Sprachgebrauch allerdings hält sich bis heute die Bezeichnung des verantwortlichen Virus: Corona.
Die Gefahr, die von dieser sich zu einer Pandemie ausbreitenden Krankheit ausging, wurde immer deutlicher. Es folgten am 16. März 2020 Kindergarten- und Schulschließungen. Darüber hinaus wurden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen eingeführt. Der Tourismus brach zusammen, Geschäfte schlossen. Das Tragen von Schutzmasken im ÖPNV, beim Einkaufen oder auch beim Arzt wurde verpflichtend. Ab Mai und mehr noch im Sommer 2020 kam es zu ersten Lockerungen der Schutzmaßnahmen. Im Dezember des gleichen Jahres begann ein erneuter Lockdown. Januar 2021: Gleich zwei Impfstoffe wurden zugelassen, aber trotz einsetzender Impfungen und nicht zuletzt durch ansteckungsfreudigere Mutationen des Virus dauerte die Pandemie weiterhin an und erst im März kam es wieder zu ersten Lockerungen, die zum Mai des Jahres hin umfangreicher wurden.
Und als im August 2021 die vierte Infektionswelle begann und der Winter sich nährte, rückte das Thema Impfen deutlich in den Vordergrund. Mit besonderen Rechten, die Nicht-Immunisierten vorenthalten wurden, versuchte man die Menschen für Impfungen zu gewinnen. Wir erinnern uns an 2- und 3G bis hin zu 3Gplus Regelungen. Geimpft, genesen oder getestet – mit einem offiziellen Schnelltest oder bei 3Gplus sogar nur mit PCR-Test – durften Menschen zum Beispiel die Gastronomie besuchen oder Sport im Innenbereich betreiben. Auch der Zugang zu Fachgeschäften war zeitweise von diesen Regelungen betroffen. Und an bestimmten Arbeitsplätzen mussten sich Nichtgeimpfte jeden Morgen unter Aufsicht testen. Erst dann durften sie ihre Tätigkeit aufnehmen.
Das Impfen und der Umgang mit den Nichtgeimpften. Nun kann man nicht sagen, dass ich zimperlich bin. Ich habe schon immer das gesagt und getan, wovon ich überzeugt bin und mit den Konsequenzen dessen gelebt. Und spürbare Distanzierung, einem sozial entgleisten Arm eines eher gut situierten und gebildeten Familienclans entstammend, der mitleidig auf einen blickte, kannte ich. Als nicht eheliches Kind ohne Vater – er war britischer Soldat und ich folglich ein „Tommy-Bastard“ – aufzuwachsen, war nicht immer einfach.
Meinem Bruder, mit dem ich gemeinsam groß wurde und dessen Vater Inder ist, erging es auch nicht besser. Rassistische Anfeindungen erlebte er, erlebten wir immer wieder. Und als ich schließlich ungebremst mein Schwulsein der Welt verlautbarte, musste ich bemerken, dass Akzeptanz in breiten Kreisen der Bevölkerung nicht zu erwarten war. Möglicherweise Toleranz, diese halte ich noch heute für eine Beleidigung und eine unglaubliche Unverschämtheit. Aber das alles habe ich ausgehalten, immer.
Mit der Verweigerung sich impfen zu lassen wurde es nun schwierig. Kollegen, Freunde, sogar entfernte Verwandte versuchten zunächst mich zu motivieren. Und in der Tat: Vor dem Hintergrund meiner mitunter nicht guten körperlichen Konstitution wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, sich zu schützen. Aber ich war mir sicher, dass ich mit der Einhaltung aller infektionseindämmenden Regeln und Maßnahmen zurechtkommen würde. Und auch niemand anderen gefährden würde, was mir ebenso wichtig war.
Ich kam zurecht, Corona blieb mir fern. Aber die fehlende Impfung blieb nicht folgenlos. Unverständnis und durchaus spürbare Verachtung für den Nichtgeimpften, Drängen sich doch immunisieren zu lassen. Man müsse sich unterordnen, ich würde die anderen gefährden und vieles mehr musste ich mir anhören. Das Verhalten der Umwelt empfand ich immer mehr als übergriffig. Und während ich Vorsicht walten ließ, konnte ich von der Spielfeldseite gut beobachten, wie andere wieder in ihre Normalität zurückkehrten, deren Umsicht begann nachzulassen.
Erstaunlich, denn zum Jahresende 2021 verbreitete sich die Omikron-Variante des Virus sehr schnell. Sie erwies sich als besonders ansteckend. Und wenn man auch nur entfernt Kontakt zu jemandem hatte, der damit infiziert und man selbst in diesem Moment kurzzeitig ungeschützt war, geriet man trotz negativem PCR-Test als Nichtgeimpfter in Quarantäne. Die Zeit um Weihnachten 2021 verbrachte ich mit mir selbst, für über eine Woche durfte ich meine Wohnung nicht verlassen.
Schon kurz vor dem Fest hatte die Ausgrenzung ein gewisses Maß der Zumutbarkeit aus meiner Sicht überschritten. Meinen üblichen Weihnachtsfernseher konnte ich nicht selbst kaufen, der Zugang zum Mediamarkt war mir schlicht verwehrt. Mein Freund tätigte den Kauf für mich, ich musste im Auto warten.
Verstehen Sie mich nicht miss. Ohne Impfungen, Maskenpflicht oder auch tägliche Tests an Arbeitsplätzen mit erhöhtem Infektionsrisiko hätte die Pandemie sicher noch viel mehr Opfer gefordert. Das galt es zu vermeiden. Aber war es nötig die Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen oder Handlungen zu drängen, eine Dynamik des sozialen Drucks entstehen zu lassen, die für Personen wie mich, die sich allein dem Impfen verweigerten, degradierende Kommentare und deutlich spürbare Ausgrenzungen nach sich zogen.
Zurück in das Jahr 2024. Corona hat mich also nun erreicht. Sie startete mit massiven Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit. Schließlich der erste Test an einem Sonntagmittag. Und das Unerwartete wurde wahr: Der zweite Strich erschien.
Zu all den genannten Symptomen kamen enorme Schluckbeschwerden und ein massives Brennen im Hals hinzu. Dagegen halfen auch die wirksamsten Schmerzmittel nicht. Die Krankheitszeichen, sie ließen nur sehr langsam nach. Bis heute erscheint beim Testen – fast zwei Wochen nach dem Beginn der Infektion sind nun ins Land gegangen – immer noch ein schwacher zweiter Strich. Geblieben sind Müdigkeit, immer wieder Kopfschmerzen, manchmal Schwindel. Das Schlimmste, so hoffe ich, ist mittlerweile vorbei.
Sicher ist, dass Corona auch im Jahr 2024 ernst genommen werden muss. Die Krankheit ist keine Lappalie, keine einfache Erkältung. Es lohnt sich also, sich, ganz besonders aber auch Andere zu schützen. Wie man seinen Beitrag dazu leistet, dass sich Corona nicht wieder maßlos ausbreitet, das muss jeder selbst entscheiden. Das Tragen von Masken in geschlossenen Räumen im Winterhalbjahr verpflichtend zu machen, halte ich jedenfalls für eine gute Idee. Aber dazu wird es nicht kommen. Denn die Pandemie ist ja vorbei, ganz offiziell.