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Nochmal der Kompromiss

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Markus Spiske

Der EU-Asylkompromiss war in den letzten Wochen immer wieder Thema hier bei „Today´s Day“. Am Donnerstag nun kamen die verantwortlichen Innenminister in Luxemburg zusammen. Die Ergebnisse der mehrheitlich beschlossenen Einigung – bestimmt durch das Primat der Abschreckung – liegen vor.

Schnellverfahren: Kommen Asylbewerber aus Ländern, die von der Gemeinschaft als sicher definiert wurden, werden sie in Einrichtungen untergebracht, die mit einem Gefängnis durchaus vergleichbar sein sollen. Zwölf Wochen darf die Prüfung für diese Personengruppe auf ein mögliches Bleiberecht maximal dauern. Fällt der Bewerber bei dem Verfahren durch, wird er abgeschoben.

Abschiebung in Drittstaaten: Ist eine Rückführung in das Heimatland eines Abgelehnten nicht umsetzbar, so soll es in Zukunft möglich sein, jemanden stattdessen in einen Nicht-EU-Staat auszuweisen. Einzige Bedingung: Die Person hat einen Bezug zu dem Land, in das sie nun gezwungen wird zu gehen. Ein solcher liegt bereits dann vor, wenn man den entsprechenden Drittstaat auf der Flucht durchreist hat.

Solidarität: Bislang waren gerade Staaten an den EU-Außengrenzen stark durch den Zustrom von Flüchtlingen belastet. Wird diese Belastung zu groß, sollen die Asylbewerber nach einem bestimmten Schlüssel in andere EU-Länder umverteilt werden. Weigern sich Mitglieder der Europäischen Union Menschen aufzunehmen, müssen sie Ausgleichszahlungen an die Gemeinschaft entrichten.

Das sind die wesentlichen Regelungen des Kompromisses. Dieser ist im Detail noch auszu-gestalten. Und da das EU-Parlament ein Mitspracherecht in der Angelegenheit hat, wird man sich in den nächsten Monaten über das jetzt Beschlossene verständigen müssen.

Die Bundesinnenministerin bezeichnete die Einigung als einen „historischen Erfolg“. Die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten habe man verhindern können, Menschen-rechtsstandards würden eingehalten werden.

Die Parteivorsitzenden der Grünen sind in der Bewertung des Kompromisses uneinig. Omid Nouripour findet, dass eine Zustimmung der Bundesrepublik notwendig war. Entgegengesetzt äußerte sich Ricarda Lang. Die Grünen im EU-Parlament sind alles andere als einverstanden. Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit, sie seien bei der gefundenen Einigung außer Acht gelassen worden.

Das Ergebnis des EU-Innenministertreffens zeigt, dass sich in der Gemeinschaft der Geist von Abgrenzung, Nationalismus und Populismus zunehmend durchsetzt. Das hat wenig mit der Grundidee und den Prinzipien einer Union zu tun, die zusammenführen und einigen will.

Dass die Bundesregierung – auch entgegen der Koalitionsvereinbarung – zugestimmt hat, hat einen sehr unangenehmen Nachgeschmack: Auch in unserem Land finden rechte und populistische Sichtweisen immer mehr Anhänger. Das zeigt sich auch in aktuellen politischen Umfragen. Diesen Kräften gegenüber einzuknicken, hier und in Europa, ist kein Zeichen von Stärke und schon gar kein Postulat eines Bewahrens dessen, wofür die Bundesrepublik steht. Freiheits- und Menschenrechte sowie Rechtsstaatlichkeit dürfen nie in Frage gestellt werden, sind niemals Verhandlungsmasse.

Meine grundsätzliche Auffassung: Allen Menschen steht es zu, dorthin zu gehen, wo sie leben möchten. Dabei muss es egal sein, ob sie aus Kriegsgebieten kommen, politisch verfolgt oder aus anderen Gründen ausgegrenzt, gefoltert oder in Gefängnisse gesperrt werden. Auf ein besseres Leben zu hoffen ist ebenso für mich ein guter Grund, sich auf den Weg dorthin zu machen, wo die Chancen für den Einzelnen und seine Familie besser sind. Auch vor diesem Hintergrund ist das politische Ergebnis von Luxemburg für mich nur eines: Ein Beispiel unerträglicher Abschreckungspolitik. Langfristig wird dieses Konzept nicht tragfähig sein.