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Schwarzsehen

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Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

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Sie kam vorgestern Abend, die E-Mail. Kurze Zeit später konnte man den Inhalt der elektronisch zugestellten Nachricht auch in den Agenturmeldungen nachlesen, am Mittwochmorgen hatte die Information den Weg in die gesamte Medienwelt geschafft. Und nein, es geht nicht um ein gewichtiges politisches oder wirtschaftliches Thema, das zurecht nach einer sorgfältigen, ernsthaften und umfänglichen Berichterstattung verlangen würde. Dennoch wurde die Meldung zu einer der Top-Schlagzeilen des gestrigen Tages: Netflix geht jetzt gegen das bislang tolerierte Accountsharing vor.

Weltweit 232,5 Millionen Abonnenten nutzen das Programmangebot des Unternehmens. Gegründet wurde es 1997. Die Geschäftsidee DVDs online zu verleihen, ging im Folgejahr an den Start. Daran anschließend folgten die Einführung eines Abo-Modells, die Online-Publikation von Nutzer-Filmkritiken und weitere Innovationen, die dem Dienst eine Dekade später zu einer Mitgliederzahl von 5 Millionen verhalfen. Im Jahr 2007 kam dann das Streaming Angebot hinzu, bis heute das Kerngeschäft von Netflix. Schwierig wurde es für die Firma im letzten Jahr, ein fallender Aktienkurs, mehr Konkurrenz zum Beispiel durch Disney + und weitere Anbieter. Bei diesen kann man jetzt auch Inhalte sehen, die bislang Netflix vorbehalten waren. Abonnenten wanderten ab, Entlassungen wurden unumgänglich.

Gegen ein Problem, welches das Unternehmen bis heute hat, will es nun vorgehen. Und genau dieser Schritt brachte die Firma gestern in die Schlagzeilen. Es handelt sich um das Nutzen eines Accounts durch mehrere Personen, eine beliebte Methode um Kosten zu sparen. Jemand bzw. ein Haushalt abonniert den Dienst und teilt seine Zugangsdaten zum Beispiel mit Freunden oder den ausgezogenen Kindern. Ergebnis: Für die Zuschauer ergibt sich ein sehr günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis, dem Unternehmen entgehen in massivem Umfang Einnahmen. Die Zahl derer, die den Dienst so nutzen, ohne selbst Kunde zu sein, sie liegt geschätzt bei 100 Millionen. Zu viele.

Dass Netflix das Schwarzsehen abstellen wollte, war schon eine Weile klar. Nun ist es also soweit. In einem ersten Schritt teilte die Firma ihren Kunden deutlich mit, dass der Gebrauch des Abos außerhalb des Haushaltes nicht zulässig ist und forderte sie nun dazu auf, Geräte auszuloggen, die nach den Bestimmungen des Unternehmens keinen Zugriff haben sollten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu wissen, wie der Streaming Anbieter einen Haushalt definiert: Dort, wo hauptsächlich vom Kunden gestreamt wird, ordnet Netflix die unter der gleichen IP-Adresse angemeldeten Geräte einem Haushalt zu. Die Konsequenz für das Schauen von Programmen außerhalb dieses definierten Empfangsbereiches: Die Inaussicht-stellung der Sperrung eines solchen nicht vertragsgemäß genutzten Zugangs.

Und Netflix macht ein Angebot, denn man will ja Kunden gewinnen und nicht vergraulen. Möchte ein Nutzer den Zugang zum Streamingdienst mit jemandem außerhalb des Haushalts teilen, so ist dies mittels einer Zusatzmitgliedschaft möglich. Die Kosten dafür belaufen sich auf 4,99 € im Monat. Das Ganze funktioniert nur beim Premium-Abo, dann kann man zwei zusätzliche Nutzer anmelden, oder beim Standard-Account, hier besteht die Möglichkeit einen weiteren Zuschauer zu registrieren.

Das Unternehmen setzt darauf, dass dieses Konzept aufgeht. In einigen Ländern hat man das Verfahren erprobt und aus Kanada weiß Netflix zu berichten, dass zunächst die Zahl der Nutzer zurückging, dann aber wieder anstieg.

Die Maßnahmen und das Angebot des Unternehmens, sie erscheinen mir fair. Wenn ich einen Dienst nutze, dessen Inhalte abrufe und mich gut unterhalten lasse, vollkommen unabhängig von einem Programmschema und festen Sendezeiten, dann muss dieser Service, mit dessen Bereitstellung hohe Kosten verbunden sind, auch angemessen bezahlt werden. Entweder kenne ich also jemanden, dessen Anschluss ich als angemeldetes Zusatzmitglied mitnutzen kann oder ich weiche auf das werbefinanzierte Basisabo aus, das aber Einschränkungen in der Programmauswahl hat. Zuschauen ohne zu dafür zu bezahlen ist Schwarzsehen und nicht fair, schon gar nicht allen anderen Kunden gegenüber, die ihre Abo-Beiträge regelmäßig entrichten und sich an die Nutzungsbedingungen halten.