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Tuppern

Foto von Valeria Boltneva: https://www.pexels.com/de-de/foto/tier-haustier-niedlich-gras-13074574/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Valeria Boltneva:

Sie sind so unfassbar praktisch. Und so haltbar. Und so unfassbar praktisch. Ja, ich bemerke, dass ich gerade beginne mich ein wenig im Kreis zu drehen. Dies mag daran liegen, dass meine Liebe zu Küchenutensilien lebenslang leidenschaftslos blieb. Eine Änderung dieses begeisterungslosen Zustands ist nicht in Sicht: Mein Herz schlägt nicht für Kitchen-Aid und Glückshormone steigen keinesfalls in mir auf, wenn ich einem Thermomix in fremder Küchenwildbahn begegne. Aber selbst an mir sind sie nicht spurlos vorübergegangen, die kleinen bunten Plastikdosen, in denen man Reste aufbewahrt, um sie zwei Tage später meist zu entsorgen. Klar ist: Meine Kunststoffbehältnisse stammen größtenteils aus einem schwedischen Möbelhaus und würden in einem ordentlich geführten Haushalt als illegitime Plagiate herablassend von den Originalen betrachtet werden, den Tupperware-Artikeln.

Wer etwas auf seine Lebensmittel hält, der gönnt den restlichen Gewürzgurken ein Ruhebett in einem grünen Tupperbehältnis, natürlich kommen die Erdbeeren in eine rote Schale, Zitrusfrüchte freuen sich über die Farbe gelb. Ich weiß, das hier ist jetzt die Sortierungsfantasie eines Nicht-Tupperianers, aber so ähnlich stelle ich mir das vor. Es ist auch egal, harte Fakten zählen: Tupperware-Produkte gelten als unkaputtbar und wenn es dann doch einmal zu einem Problem kommen sollte, naht Rettung in Form einer 30jährigen Garantie. Und weil die Schüsseln und sonstigen Gebrauchsgegenstände so gut und haltbar sind, bekommt man sie auch zu fantastischen Preisen: So kostet die 1l-Schale Aloha nur 12,90 €, das Klimaoasenset mit Luftzufuhr-Schieberegler gibt es für den Preis von 74,70 €, herabgesetzt von 99,70 €. Es ist schließlich fünfteilig.

Das Vertriebsmodell ist ein Klassiker: Die Party. Und jeder kann dabei sein und eine wundervolle Veranstaltung im eigenen Heim durchführen. Ein paar Leckereien stellen Sie selbst bereit und entführen sodann mithilfe einer Beraterin Ihre Gäste in die Tupper-Welt. Der Rest ist Formularsache, Bestellformularsache. Und wenn Sie kein Freund von Gesellschaft sind: Einen Online-Shop gibt es auch. Ein Tupper-Traum.

Nicht ganz. Tupper-Alptraum, das ist unser eigentliches Thema: Am Montag fiel der Aktienkurs des in Orlando sitzenden Unternehmens um 49 % auf 1,2 $ pro Anteilsschein ins fast Bodenlose. Vorangegangen war eine Warnung der Firma, die darauf hinwies, dass man in Finanzierungsnöten sei und nicht wisse, ob die Geschäfte fortgesetzt werden könnten. Die Börse reagierte entsprechend.

Corona hat sicher niemandem gutgetan, auch Tuppers Original-Vertriebsmodell nicht. Der Verkauf, er bedarf der sozialen Kontakte, des unbeschwerten Miteinanders. Lediglich die Online-Sparte war in dieser Zeit erfolgreich, viele von uns haben während der zurückliegenden Pandemie die Liebe fürs Kochen entdeckt und fleißig Tuppers Helferlein geordert. Corona ist vorbei. Man könnte wieder verstärkt offline durchstarten, aber das will nicht so richtig gelingen. Wir haben uns zu sehr ans Bestellen gewöhnt. Und in diesem Vertriebsfeld sind andere Anbieter schneller, haben mehr Auswahl und deutlich attraktivere Preise.

Diese Gründe, sie sind nur ein Teil der Misserfolgsgeschichte des Unternehmens. Plastikdosen haben in Nachhaltigkeitsland alles andere als einen Kult-Status, die Führung der Firma wechselte in den letzten Jahren häufig und die Alleinstellungsmerkmale der Marke, sie werden von der Kundschaft wohl nicht mehr als solche wahrgenommen.

In den USA sind die Produkte von Tupper mittlerweile auch bei der Supermarktkette Target erhältlich. Dies könnte – für Deutschland hatte man schon Ähnliches geplant – eine weitere Möglichkeit sein, die Waren des Konzerns wieder näher zu den Kunden zu bringen. Und über den alles dominierenden Kunststoff müsste man noch einmal nachdenken und ein ähnlich halt- und belastbares Material finden, das nicht beabsichtigt, Archäologen im Jahr 3.200 in einem fast neuwertigen orangefarbenen Glanze anzustrahlen.

Aufbewahren ist in Zeiten des sparsamen Umgangs mit Ressourcen eine gute Idee, welcher Rohstoff allerdings ist der beste für die dafür benötigten Behältnisse? Hier sollte Tupper vielleicht, zusätzlich zum erforderlichen Umbau seines Vertriebsmodells, forschend vorangehen um dann zu neuem Ruhm zu gelangen, vielleicht sogar in meiner Küche.