Autor und Sprecher
Technik und Gestaltung
Foto von Vera Arsic
Das Verhalten, welches wir hier besprechen, es ist nach einem Studienergebnis von 2015 in nur 46% aller Kulturen in seiner romantischen Form etabliert. Die Menschen in Europa, Asien und im Nahen Osten tun es besonders gerne. Wenn sich die Lippen zweier Menschen zärtlich berühren, dann nennen wir das Küssen und der internationale Tag dieser für die meisten erfreulichen Form des körperlichen Kontakts, er war gestern, am 6. Juli.
Dass hier in Europa schon eine längere Kusspraxis besteht, lässt sich tatsächlich mithilfe moderner Medizintechnik nachweisen. Etwa 5.000 Jahre ist es her, dass sich der Herpesvirus HSV-1 vor allen anderen Varianten dieser Art einen Vorteil verschaffte, der ihn zum dominierenden Erreger für diese Krankheit in unseren Breiten hat werden lassen. Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen legen nahe, dass die Ausbreitung des Küssens auf unserem Kontinent genau dafür verantwortlich war.
Aber warum mögen wir die Begegnung mit den Lippen unserer Mitmenschen? Offensichtlich scheint es so zu sein – selbst in Kulturen, in denen öffentlich nicht geküsst wird – dass dieses Verhalten Teil unserer Sexualität ist und in diesem Kontext auch häufig stattfindet. Eine andere Erklärung geht davon aus, dass das Aufeinanderpressen der Lippen seinen Ursprung in der Mund-zu-Mund-Fütterung vergangener Zeiten haben könnte.
Auch der aufrechte Gang könnte verantwortlich für diese Art der Liebkosung sein. Statt direkt unsere Sexualorgane zu sehen und wie Tiere an ihnen zu schnüffeln, bietet sich uns stehenden Zweibeinern im unmittelbaren Sichtfeld die Möglichkeit einer engeren Kontaktaufnahme, rot leuchtende Lippen, die zur Berührung einladen. Und vielleicht erfahren wir dabei – unbewusst – mehr über unser Gegenüber und dessen Tauglichkeit für eine Partnerschaft und – wenn gewünscht – eine spätere Fortpflanzung.
Der Status einer Beziehung, auch er kann mithilfe des Küssens bzw. des Unterbleibens desselben näher bestimmt werden. Wenn sich die Begegnungen der Lippen in einer Partnerschaft als besondere Ereignisse präsentieren, in der vorher wild oder einfach nur leidenschaftlich geknutscht wurde, dann ist das ein Warnsignal.
Und, davon haben wir mittlerweile alle gehört, beim Küssen setzt unser Körper Oxytocin frei. Dabei handelt es sich um ein Glückshormon, mit dessen Hilfe auch Bindungen verstärkt werden. Damit das funktioniert, muss man sich mindestens 20 Sekunden in der unmittelbaren Nähe der Lippen des anderen befinden. Begleitet es leidenschaftlichen Sex, so ist dessen partnerschaftsverstärkende Wirkung wohl noch effektiver.
Der Internationale Tag des Küssens, er liegt ja nun schon hinter uns. Da der Vorgang offenbar gesund, erheiternd, erfreulich und bindungsstärkend ist, empfehle ich – sofern diese Nebeneffekte erwünscht sind – auch an den verbleibenden 364 Tagen des Jahres nicht in einem kussfreien Zustand zu verharren.