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Vier Minuten natürlicher Sex

Foto von Womanizer Toys auf Unsplash

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

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Sexualität ist eine grundsätzlich vielfältige Sache, was einfältigen Menschen mitunter kaum oder gar nicht zu vermitteln ist. Diese beziehen sich ihre Haltung begründend auf heilige Schriften, Traditionen, das Primat der Fortpflanzung. Und weil die Gesellschaft dieses Wissen und die daraus resultierenden Verhaltensregeln unreflektiert weiterträgt, ist gleichgeschlechtlicher Sex – trotz aller Fortschritte, die die LGBTQ+ -Bewegung erzielt hat – immer etwas, das mit Distanz betrachtet wird. Und genauso, häufig viel schlimmer geht man mit denen um, die sich dazu bekennen, die öffentlich machen, was für sie Normalität ist.  

Und tatsächlich, in manchen Gesellschaften war und ist Homosexualität weniger ein Problem, toleriert oder sogar akzeptiert. Das ist den Besserwissenden egal, sie bleiben dabei, dass dieses Sexualverhalten widernatürlich sei. Stimmt nicht, sagen Forscher. Nachzulesen in einer Studie des Imperial College London. Diese wurde nun im Fachmagazin „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht. Der Untersuchungsansatz der Wissenschaftler: Gleichgeschlechtlicher Sex bei Tieren ist bei unterschiedlichen Spezies bereits beobachtet worden. Den Forschenden ging es nun darum herauszufinden, ob das Verhalten erblich ist und sich somit im Rahmen der natürlichen Selektion entwickelt hat.

Das Setup: Drei Jahre untersuchten die Wissenschaftler das Sexualverhalten von 236 wild lebenden Rhesusaffen in einer Gruppe, welche schon seit vielen Jahrzehnten von Forschern immer wieder beobachtet wurde. Die Primaten, sie leben auf der tropischen Insel Cayo Santiago, die zu Puerto Rico gehört. Was die Wissenschaftler feststellten: Sex mit dem gleichen Geschlecht kommt mit 72% derartiger Kontakte häufiger vor als heterosexueller Verkehr, sein Anteil liegt bei 46 %.  

Genauere Untersuchungen zeigten, dass die in der Gruppe verbreitete Homosexualität zu einem geringen Teil, etwa 6,4 %, vererbbar zu sein scheint. Die Theorie, dass dieses Verhalten die Fitness in Bereich der Fortpflanzung einschränke, konnte nicht bestätigt werden. Die gleichgeschlechtlichen Kontakte scheinen die Gemeinschaft zu stärken, da sich männliche Sexualpartner zu Gruppen zusammenfinden. Kommt es zu Schwierigkeiten, unterstützen sich die Individuen dann gegenseitig. Das hat auch den positiven Nebeneffekt, dass diese Tiere bei der Reproduktion erfolgreicher sind. 

Professor Vincent Savolainen, der leitende Wissenschaftler dieses Forschungsprojekts, betont, wie bedauerlich es ist, dass manche Menschen Bi- oder Homosexualität immer noch als unnatürlich bezeichnen. Die Untersuchungen würden zeigen, dass diese Varianten des Sexualverhaltens unter Tieren, hier Primaten, weit verbreitet sind. 

Savolainen hat Recht. In der Tierwelt, von den Pinguinen bis zu den Bonobos ist Bi- und Homosexualität sehr häufig anzutreffen. Bei über 1.500 verschiedenen Tierarten ist dieses Verhalten mittlerweile beobachtet worden, mit der aktuellen Untersuchung des Imperial College liegen nun besonders fundierte Erkenntnisse vor. Gleichgeschlechtlicher Sex als sozialer Kitt, der Beziehungen und den Zusammenhalt so vertieft, dass die Gesamtgruppe davon profitiert, erscheint mir eine kluge Erfindung der Evolution zu sein. Offenbar ist diese Verhaltensweise natürlicher, als mancher sich vorzustellen vermag. Und Freunde bereitet die praktische Umsetzung darüber hinaus auch noch. Wie schön.