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Wo Meinungen aufeinander treffen

Von Fotos die keine sind

Foto von Alexas Fotos: https://www.pexels.com/de-de/foto/tier-pelz-kopf-gesicht-2341881/

Autor und Sprecher

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Christian Spengler
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Thorsten A. Siefert

Technik und Gestaltung

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Thorsten A. Siefert

Foto von Alexas Fotos

„Machen Sie sich doch mal selbst ein Bild von der Sache.“ Gemeint ist: Verschaffen Sie sich einen eignen Eindruck, bilden Sie sich eine Meinung, positionieren Sie sich ggf. sodann. Hilfreich bei diesem Prozess: Die persönliche Anschauung der Sache um die es geht. Das allein funktioniert leider nur selten, weshalb wir auf zuverlässige Quellen und eine möglichst objektive Berichterstattung angewiesen sind. Bilder sind dabei hilfreich, können aber genauso wie ein Text zum Transportmittel einer Manipulation werden. Es ist entscheidend, aus welcher Perspektive man fotografiert, welchen Moment man wählt usw. Und natürlich gibt es da auch noch das Mittel der Fotomontage, das die Abbildung des Realen verändern kann. Wenn Bilder helfen sollen, Meinungen zu bilden, muss ich mich darauf verlassen können, dass diese sorgsam – genau wie ein Text – auf ihre Zuverlässigkeit und ihren Wahrheitsgehalt geprüft worden sind. Problematisch wird es, und damit erneut ein herzliches Willkommen beim Thema „Künstliche Intelligenz“, wenn der auf den Fotos dargestellte Inhalt so lebensecht und authentisch wirkt, dass man eine Manipulation nicht vermuten mag.

Das Bild ging Ende letzten Monats um die Welt, fast mit Lichtgeschwindigkeit und freundlicher Unterstützung sozialer Medien wurde es verbreitet: Der Papst in einer üppig wirkenden weißen Daunenjacke, sehr ungewöhnlich, aber doch nicht vollkommen unmöglich. Und genau um diesen Eindruck geht es den Schöpfern solcher Fotos, etwas in die Nähe der Realität zu rücken, macht das zu sehende glaubhaft. Exakt dort liegt die Gefahr manipulierter Aufnahmen. Eine Verschiebung oder Betonung eines Akzents, eines Bildelements reicht mitunter aus, um unsere Wahrnehmung und damit die Einordnung des abgebildeten Inhalts zu lenken, dorthin, wo man sie platziert wissen möchte. Erschaffen wurde der Fake-Daunen-Papst übrigens von KI „Midjourney“, der man in Worten mitgeteilt hatte, was man zu sehen wünschte. Genaues Hinschauen lässt einen jedoch erkennen, dass die Hände des Kirchenoberhauptes noch etwas Optimierungsarbeit in Richtung Realität erfordern und das aktuelle Alter des Papstes nicht ganz getroffen wurde. Diese Mängel erlauben – wenn man es denn möchte – die Überführung der Aufnahme als Fake-Foto. Noch, denn KI-Systeme entwickeln sich stetig weiter und werden schnell besser, viel schneller viel besser.

Der Vertreter Petrus auf Erden in Daune, ein Einzelfall? So gar nicht. In einem Artikel von tagesschau.de, Unterrubrik Faktenfinder, werden weitere Bilder präsentiert, die ähnlich wie das des Papstes auf den ersten Blick nicht vollkommen irreal erscheinen, es aber sind: Da sehen wir einen vor dem chinesischen Staatschef knienden Putin, der seinem Amtskollegen die Hände küsst. Auch diese Aufnahme enthält Bildfehler, wenn man genau hinschaut. Bei naiver Betrachtung wirkt sie aber durchaus ausreichend realitätsnah.

Erschreckender eine KI-Bildkonstruktion, die zurzeit vom AfD-Fraktionsvorsitzenden Norbert Kleinwächter auf Instagram geteilt wird. Bildunterschrift: „Nein zu noch mehr Flüchtlingen.“ Männer südländischen Typs sind darauf versammelt, sie wirken aggressiv, wütend, den Mund aufgerissen. Was bei den Betrachtern für ein Gefühl, für eine Stimmung gegenüber den dort zu sehenden Menschen erzeugt werden soll, das ist wohl offensichtlich. Der die Aufnahme verbreitende Kleinwächter sieht in der Verwendung derselben kein Problem. Tagesschau.de schreibt er auf Nachfrage dazu unter anderem, dass die Motive dazu dienen würden, aktuelle Ereignisse für jeden wiedererkennbar zu illustrieren. Und weiter: Von Fake könne keine Rede sein.

Falls noch Zweifel an den Möglichkeiten von KI-Systemen bestanden: Diese wenigen Beispiele manipulierter Fotos zeigen, welche Gefahren hier schon jetzt von einem gezielten Missbrauch ausgehen. Noch reicht vielleicht genaueres Hinsehen und man entdeckt, dass irgendetwas nicht stimmig ist. Damit es zu diesem Eindruck kommt, muss man allerdings ausreichend irritiert und bereit sein, das zu sehende zu hinterfragen. Problematisch, neben der Weiterentwicklung und Perfektionierung der zugrundeliegenden Technologien ist vor allem aber die Bereitschaft, den Bildinhalt für bare Münze zu nehmen, weil dieser ohnehin eigene Ansichten und Grundeinstellungen positiv bedient. Damit befindet sich der so gesteuerte Betrachter genau an der Stelle, an die er geführt werden sollte. Und das ganz ohne große Mühe. Hier geht es nicht um eine Vorahnung von einer möglichen Gefahr, sie ist leider bereits heute allzu real. Bleiben wir also aufmerksam.