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Willkommen in Europa! So aber nicht!

Foto von Markus Spiske auf Unsplash

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Ich musste noch einmal zurückblättern in unserem netkiosk.digital-Archiv Und dann fand ich ihn, den Artikel über den BBC-Sportexperten Gary Lineker. Zur Erinnerung: Er hatte sich kritisch zur Asylpolitik und dem dazugehörigen Sprachgebrauch der britischen Regierung geäußert. Nach einer kurzen Suspendierung und Solidaritätsbekundungen von Gleichgesinnten konnte Lineker schnell wieder auf den Bildschirm zurückkehren. Der asylpolitische Ansatz der Briten im Umgang mit Bootsflüchtlingen war das, woran sich der Moderator zurecht gestoßen hatte: Die Betroffenen sollen unmittelbar interniert und nach 28 Tagen wieder des Landes verwiesen werden. Eine Prüfung ihres Anrechts auf Asyl erfolgt erst dann, wenn sie nicht mehr in Großbritannien sind. Dieses Vorgehen – Ende April vom Unterhaus bereits beschlossen – ist menschenrechtsverletzend.

Um wie viel besser ist nun der Ansatz der Bundesregierung, Asylverfahren an den EU-Außengrenzen durchzuführen? Faktisch entspricht dies zunächst einmal dem Dubliner Abkommen. In diesem ist geregelt, dass ein Geflüchteter in dem Staat um Asyl bitten soll, mit dessen Betreten er erstmalig EU-Raum erreicht. Bundesinnenministerin Faeser erklärte Ende letzter Woche das geplante Vorgehen mit dem Ziel einer besseren Verteilung der Berechtigten innerhalb Europas: Dort, wo die jeweilige Person ankommt, wird sie erfasst und identifiziert werden. Das Verfahren – dessen Rechtsgrundlage noch unklar ist – soll insgesamt nicht länger als zwölf Wochen dauern. Danach ist eine Weiterreise in einen „solidarischen Mitgliedsstaat“ geplant. Diese allerdings beschränken sich bislang auf die Bundesrepublik, Frankreich, Belgien und Schweden.

Kritik an dem Entwurf kommt von unterschiedlichen Seiten. Man müsse der „irregulären Migration“ deutlicher begegnen. Unklar bleibt, was konkret damit gemeint ist. Am 10. Mai werden Länder und Bund in der Asylfrage wieder aufeinandertreffen. Von einigen Ministerpräsidenten geht eine Initiative aus, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern. Diese kann man sich als eine Art Asylfilter vorstellen: Kommt jemand aus einem von der Bundesrepublik als sicher eingestuften Land, kann sein Antrag auf Aufnahme abgelehnt und das Abschiebungsverfahren eingeleitet werden. Schwierig, wenn die konkrete Prüfung auf ein Recht auf Asyl unterbleibt. Dahinter eine Politik, die auf Abschreckung setzt und in Kauf nimmt, dass potenzielle Berechtigte nicht identifiziert und ihnen folglich kein Aufenthaltsrecht gewährt wird.

Personen mit queerer Identität werden in einigen afrikanischen Staaten, die nun auf die Liste sollen, verfolgt, in Gefängnisse gesperrt und gefoltert. Begründung für die Aufnahme der Herkunftsländer Algerien, Marokko, Tunesien und auch Georgien in den Katalog: Nur wenig Anerkennungsverfahren von Flüchtlingen aus diesen Regionen hätten in der Vergangenheit Erfolg gehabt. Das dahinter liegende Motiv: Menschen, die von dort kommen, fielen in den Kriminalstatistiken der Bundesländer deutlich auf. Ist das die Rückkehr zum Prinzip Sippenhaft? Klar ist doch wohl: Ein nicht den Einzelfall prüfendes Verfahren stellt schlichtweg ein menschenrechtliches NO-GO dar.

Kommen wir zurück zum Vorschlag der Bundesregierung.  Nicht geregelt ist bislang, an welchem Ort genau die Hilfesuchenden diese maximal zwölf Wochen verbringen sollen. Unterkünfte müssten geschaffen werden, die alles bieten, was für ein menschenwürdiges Leben in einem Transitzustand erforderlich ist. Kinderbetreuung, Schulen, ärztliche Versorgungseinrichtungen und vieles mehr würden benötigt werden. Zudem wäre in diesen Erstaufnahmezentren ein entsprechender Verwaltungsapparat einzurichten, Personal für all die zu erledigenden Aufgaben einzustellen und zu schulen. Vor Augen habe ich hier ein großes, unübersichtliches Flüchtlingslager, das von einem nicht zu überwindenden Zaun umgeben ist. Und wer kontrolliert, ob alle dort durchgeführten Asylverfahren rechtstaatlichen Prinzipien folgen? „Willkommen in Europa“ stelle ich mir so nicht vor.